Vermischtes

Pflegegutachten: Medizinischer Dienst weist Vorwürfe zurück

  • Mittwoch, 22. November 2023
/picture alliance, Frank Hoermann, SVEN SIMON
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Essen/Mainz – Pflegefachleute haben den Vorwurf zurückgewiesen, dass viele Pflegebedürftige in zu niedrige Pflegegrade eingestuft werden und deshalb nicht die ihnen zustehenden finanziellen Leistungen erhalten.

Der Medizinische Dienst Bund, der für die Begutachtung der Pflegebedürftigen zuständig ist, erklärte gestern in Essen, der Anteil der Widersprüche und der korrigierten Gutachten sei sehr gering. Das Begutachtungs­sys­tem funktioniere insgesamt sehr gut.

Pressesprecherin Michaela Gehms sagte, 2022 seien insgesamt 2,5 Millionen Pflegegutachten durchgeführt worden. Dabei habe es 185.500 Widersprüche (7,3 Prozent) gegeben. Von diesen Fällen seien 55.000 oder rund 30 Prozent in einem zweiten Gutachten korrigiert worden. Insgesamt betrage die Korrekturquote also 2,3 Prozent.

Zu den Gründen sagte Gehms, manche Pflegebedürftigen trauten sich bei den Begutachtungsgesprächen nicht, ihre Situation richtig darzustellen. Es sei für viele Betroffene nicht einfach, einzugestehen, dass man Körperpflege oder Toilettengang nicht mehr allein schaffe und auf Hilfe angewiesen sei.

Erst im Nachhinein merkten Angehörige oder Freunde dann, dass nicht alle Fakten auf den Tisch gelegt wor­den seien. Deshalb empfehle der Medizinische Dienst immer, dass bei den Begutachtungen auch die Haupt­pflegeperson anweisen sein sollte.

Gehms betonte, die 4.500 Gutachter des Medizinischen Dienstes würden immer wieder geschult und von anderen Experten fachlich begleitet. Auch gebe es ein Beschwerdemanagement und ein bewusstes Lernen aus den Widerspruchsverfahren.

Das ARD-Politikmagazin Report Mainz berichtete gestern in einer vorab verbreiteten Pressemitteilung unter Berufung auf dieselben Zahlen, dass Pflegebedürftige in Deutschland oftmals in zu niedrige Pflegegrade ein­gestuft werden.

Das Magazin zitierte den emeritierten Sozialrechtler Ingo Heberlein mit den Worten, die Zahl der korrigierten Gutachten sei zu hoch. „Es muss unbedingt versucht werden, diese Zahl nach unten zu bringen: durch Schu­lun­gen, durch genauere Untersuchungen.“

Auch Katharina Lorenz vom Sozialverband Deutschland (SoVD) Niedersachsen hält den Anteil der Korrekturen für einen unhaltbaren Zustand. Pflegebedürftige würden „im Regen stehen gelassen“. Viele Betroffene würden zudem gar keinen Widerspruch einlegen, weil sie die Kraft dazu nicht hätten.

Wer Leistungen der Pflegeversicherung beantragt, muss zunächst von einem Mitarbeiter des Medizinischen Dienstes begutachtet und in einen von fünf Pflegegraden eingestuft werden.

Seit dieser Woche sollen diese Begutachtungen häufiger telefonisch und seltener durch Hausbesuche stattfin­den können, wie der Medizinische Dienst Bund vergangene Woche mitteilte. Strukturierte Telefoninterviews seien künftig bei Höherstufungsanträgen und Wiederholungsbegutachtungen möglich.

Zwischen 2016 und 2022 ist die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland von 3,1 Millionen auf über fünf Millionen gestiegen. Dadurch erhöhen sich auch die Auftragseingänge bei den Medizinischen Diens­ten: Sie stiegen in diesem Zeitraum von 1,8 Millionen auf 2,5 Millionen im Jahr 2022 − Tendenz weiter stei­gend.

kna

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