Pflegepersonaluntergrenzen: Experten befürworten schnelle Einführung

Berlin – Bei einer Anhörung vor dem Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages haben sich die geladenen Experten mehrheitlich für die schnelle Einführung von Pflegepersonaluntergrenzen im Krankenhaus ausgesprochen.
In Deutschland müsse eine Pflegekraft im Krankenhaus deutlich mehr Patienten betreuen als in anderen europäischen Ländern, sagte der Krankenpfleger Alexander Jorde, der als Einzelsachverständiger geladen war. Jorde war bekannt geworden, nachdem er mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der ARD-Wahlkampfarena über die schlechten Arbeitsbedingungen in der Pflege diskutiert hatte.
„In der Ausbildung haben wir gelernt, den Patienten ganzheitlich zu pflegen“, sagte Jorde. „Das können wir in unserem Alltag aber nicht. Weil wir so viele Patienten betreuen müssen, bleibt weniger Zeit für den einzelnen. Das frustriert die Pflegenden.“ Deshalb sei es wichtig, jetzt Pflegepersonaluntergrenzen einzuführen – auch, um den Pflegenden ein Signal zu senden, dass sich etwas in der Pflege ändere.
„Heute verlassen Pflegekräfte im Durchschnitt nach 7,5 Jahren ihren Beruf“, sagte der Krankenpfleger. Wenn die Attraktivität des Berufes nicht jetzt gesteigert werde, werde sich der aktuelle Pflegemangel noch deutlich ausweiten. Zur Steigerung der Attraktivität gehöre neben den Personaluntergrenzen auch eine Erhöhung des Gehaltes. Denn „wir haben eine gute Ausbildung, es gibt einen hohen Bedarf an Fachkräften, und wir haben eine hohe Verantwortung“, so Jorde.
Bei Verhandlungen auf sehr gutem Weg
Derzeit verhandeln die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und der GKV-Spitzenverband zusammen mit anderen Akteuren des Gesundheitswesens im Auftrag der Bundesregierung, wie Pflegepersonaluntergrenzen in deutschen Krankenhäusern ausgestaltet werden sollen. Bis zum 30. Juni sollen die Ergebnisse vorgelegt werden.
In einem Antrag hat die Linksfraktion nun gefordert, die „absehbar fruchtlosen Verhandlungen“ zu beenden. „Stattdessen sollen verbindliche, tatsächlich arbeitsentlastende und in allen Bereichen der Krankenhäuser wirkende Personalbemessungszahlen eingeführt werden“, die „Expertinnen und Experten, Gewerkschaften und die Patientenvertretung“ entwickeln sollen.
„Wir sind bei den Verhandlungen auf einem sehr guten Weg, und ich denke, es wird gelingen, bis zum 30. Juni ein Ergebnis vorzulegen“, erklärte der Pflegedirektor und Prokurist des Städtischen Klinikums Karlsruhe, Josef Hug, heute bei der Anhörung. „Ein Abbrechen der Verhandlungen wäre fatal, weil es ein falsches Signal senden würde: Pflegepersonaluntergrenzen sind eine absolute Notwendigkeit, eine rote Linie, die unter keinen Umständen unterschritten werden darf.“
Parlament soll die Entscheidung treffen
Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Johann-Magnus von Stackelberg, riet den Mitgliedern des Gesundheitsausschusses, selbst die Entscheidung über die Ausgestaltung der Pflegepersonaluntergrenzen zu treffen. „Das sind Werteentscheidungen, die nicht Wissenschaftler treffen sollten, sondern das Parlament“, sagte von Stackelberg. Eine mögliche Methode sei es dabei, das obere Drittel der Ist-Zahlen aus den Krankenhäusern zu nehmen und diese als Richtwert für alle Krankenhäuser in Deutschland vorzugeben.
Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Privatkliniken, Thomas Bublitz, gab zu bedenken, dass zu hohe Untergrenzen zur Schließung von Stationen führen könnten. „Wenn die Pflegepersonaluntergrenzen zu hoch angesetzt werden und wir berücksichtigen, dass schon heute 53 Prozent der Krankenhäuser offene Stellen in der Pflege nicht besetzen können, heißt das, dass Stationen geschlossen werden müssten und dass keine Patienten mehr aufgenommen werden könnten“, sagte Bublitz. „Dann kämen wir in den Bereich einer Wartelistenmedizin.“
„Die Krankenhäuser schüren mit solchen Äußerungen Ängste“, entgegnete Jorde. „Es kann aber nicht angehen, dass auf Kosten der Pflege immer alle Patienten aufgenommen werden.“ Bei einer großen Anzahl der Eingriffe könnten Wartezeiten durchaus hingenommen werden. „Und ich warte doch lieber einen Monat länger auf eine Operation und weiß, dass die Pflege dann eine hohe Qualität hat, als einen Monat früher operiert zu werden und dann Gefahr zu laufen, dass nach der Operation eine Wundinfektion nicht erkannt wird, weil es zu wenige Pflegekräfte gibt“, so Jorde.
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