Pflegemangel im Krankenhaus erhöht das Risiko schwerer Komplikationen

Berlin – Eine Unterbesetzung im Pflegedienst von Krankenhäusern erhöht das Risiko schwerer Komplikationen signifikant. Darauf hat Michael Simon von der Hochschule Hannover hingewiesen. In zahlreichen internationalen Studien sei gezeigt worden, dass Pflegekräfte im Krankenhaus schwere Komplikationen bei Patienten eher übersähen, wenn sie überlastet seien. Das könne im Extremfall zum Tod des Patienten führen, sagte Simon heute vor Journalisten anlässlich des morgen beginnenden „Kongress Pflege 2018“ in Berlin.
Simon wies darauf hin, dass sich der Pflegebedarf im Krankenhaus in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten geändert habe. „Während die Fallzahlen angestiegen sind, ist die Verweildauer zurückgegangen“, sagte er. Die weniger pflegeintensiven Tage am Ende eines Krankenhausaufenthaltes seien dabei weggefallen. Insofern sei es zu einer Verdichtung pflegeintensiver Tage gekommen. Zudem lägen heute mehr alte und kranke Patienten im Krankenhaus als früher. „Deshalb ist die Arbeitsbelastung der Pflegekräfte im Krankenhaus weiterhin hoch“, betonte er. „Der Pflegebedarf im Krankenhaus ist nicht rückläufig.“ Dabei fehlten derzeit mehr als 100.000 Vollzeitäquivalente im Pflegedienst der Krankenhäuser.
„Wir brauchen eine Ausbildungsinitiative in den Krankenhäusern“
Simon befürwortete die vorgesehene Einführung von Pflegepersonaluntergrenzen im Krankenhaus, die vom Gesetzgeber im vergangenen Jahr auf den Weg gebracht wurde. „Pflegepersonaluntergrenzen können zu einer spürbaren Verbesserung der Personalsituation im Pflegedienst der Krankenhäuser und zu einer Erhöhung der Patientensicherheit beitragen“, erklärte er. Damit mehr Pflegekräfte für die freien Stellen zur Verfügung ständen, müsse jedoch eine Ausbildungsinitiative begonnen werden. „Zwischen den Jahren 1992 und 2016 ist die Zahl der Ausbildungsplätze in den Krankenhäusern von 87.000 auf circa 79.700 gesunken“, kritisierte er. Die Zahl der Ausbildungsplätze müsse in Zukunft wieder deutlich erhöht werden.
Derzeit verhandeln GKV-Spitzenverband und Deutsche Krankenhausgesellschaft im Auftrag des Gesetzgebers die Höhe der Pflegepersonaluntergrenzen. „Wir müssen noch viele Probleme lösen“, sagte Wulf-Dietrich Leber, der aufseiten des GKV-Spitzenverbandes an den Verhandlungen teilnimmt. Da es heute gemischte Stationen in den Abteilungen gebe, müssten die Untergrenzen zum Beispiel pro Station festgelegt werden, sagte er. Zudem müsse überlegt werden, ob die Untergrenzen nur für examinierte Pflegekräfte gelten sollten oder auch für nichtexaminierte. „Aber die Mühe lohnt sich“, betonte er. Denn heute gebe es aufgrund des Pflegemangels patientengefährdende Situationen in den Krankenhäusern.
Der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Pflegemanagement, Peter Bechtel, sieht das Risiko, dass Untergrenzen in der Praxis zugleich zu Maximalgrenzen werden könnten. Leber sieht diese Gefahr nicht. „Beim Mindestlohn ist es ja auch nicht so, dass es eine Sogwirkung nach unten gegeben hat“, sagte er.
Untergrenzen sollen für alle Abteilungen gelten
Mit den Pflegepersonaluntergrenzen haben sich auch Union und SPD bei ihren Sondierungsgesprächen befasst. Hatten beide Parteien in der vergangenen Legislaturperiode zunächst festgelegt, dass Untergrenzen nur in sogenannten pflegesensitiven Abteilungen gelten sollten, haben sie sich nun darauf verständigt, dass sie in allen Abteilungen gelten sollen. „Damit hat die Politik auf die Gefahr reagiert, dass an der einen Stelle Löcher gestopft und an der anderen Stelle neue Löcher gerissen werden“, sagte Leber.
Zudem betonte er, dass das Problem des Pflegemangels auch mit strukturellen Änderungen im stationären Sektor angegangen werden müsse. „Deutschland hat zu viele Krankenhäuser“, meinte er. „Würde es weniger geben, könnten die vorhandenen Pflegekräfte anders verteilt werden. Wir brauchen auch deshalb eine Neuordnung der Krankenhauslandschaft.“
Bechtel pflichtete ihm bei. „Aber dann muss die Politik endlich den Mut aufbringen, die dafür notwendigen Entscheidungen zu treffen“, betonte er. Deshalb müsse Angela Merkel das Thema Pflege nun zur Chefsache erklären.
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