Politik

Pharmaindustrie kritisiert Nutzenbewertung

  • Dienstag, 12. Juni 2012
Uploaded: 12.06.2012 17:09:37 by mis
dapd

Berlin – Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) hat anlässlich seiner Jahreshauptversammlung die frühe Nutzenbewertung kritisiert, mit der der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) seit 2011 den Zusatznutzen neuer Arzneimittel bewertet. So hatte es das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) festgelegt. „Wir leben momentan in einer Situation, in der der G-BA noch nicht einmal eine Begründungspflicht für seine zweckmäßige Vergleichstherapie hat“, kritisierte der Vorstandsvorsitzende des BPI, Bernd Wegener. Mit der zweckmäßigen Vergleichstherapie legt der G-BA ein Medikament fest, an dem sich der Zusatznutzen des neuen Arzneimittels messen lassen muss.

„Wenn ein pharmazeutisches Unternehmen eine andere Vergleichstherapie wählt, muss es diese ausreichend begründen“, sagte Wegener. „Das kann ich doch aber nur valide, wenn ich die Gründe für die G-BA-Entscheidung kenne.“ Spätestens im Stellung­nahme­verfahren müsse man doch die Argumentation des G-BA für seine abweichende Wahl kennen.

In diesem Punkt will der G-BA der Pharmaindustrie entgegenkommen. Der G-BA-Vorsitzende Rainer Hess sagte am Montag in der öffentlichen Anhörung zur Novelle des Arzneimittelgesetzes, der Arzneimittelhersteller werde eine exakte Begründung über die Vergleichstherapie erhalten.

Auf diese Weise ermögliche es der G-BA dem Hersteller, sich mit der getroffenen Entscheidung auseinanderzusetzen und gegebenenfalls ein Gegengutachten anzufertigen. Der G-BA werde die zweckmäßige Vergleichstherapie jedoch nicht mit dem Hersteller verhandeln. „Sie muss vom G-BA festgesetzt werden“, betonte Hess.

Wegener kritisierte darüber hinaus, dass für die zweckmäßige Vergleichstherapie laut Arzneimittel-Nutzenbewertungsverordnung die wirtschaftlichere Therapie als Vergleich herangezogen werden soll, wenn es mehrere Alternativen gibt. „Hier wird eine Verknüpfung von Kosten und Bewertungsgrundlagen geschaffen, die nicht zielführend ist und die dafür sorgt, die zweckmäßige Vergleichstherapie vorrangig nach Kostenaspekten festzulegen“, so Wegener.

Der BPI-Vorsitzende sprach sich auch dafür aus, die zwischen GKV-Spitzenverband und Pharmafirma ausgehandelten Rabatte für neue Arzneimittel nicht zu veröffentlichen. Allerdings räumte er ein: „Alle Institutionen, die in Deutschland zur Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgaben den Erstattungspreis kennen müssen, sollen und müssen Zugang zu diesem haben.“ Darauf drang bei der Anhörung auch der G-BA-Vorsitzende Hess.

Der G-BA hatte in der vergangenen Woche erstmals Nutzenbewertungen für Medikamente beantragt, die bereits auf dem Markt sind. Um diese Arzneimittel mit wirkstoffgleichen neuen Arzneimitteln zu vergleichen, für die bereits eine frühe Nutzenbewertung  durchgeführt wurde, müsse der G-BA den ausgehandelten Erstattungsbetrag kennen, sagte Hess. Ob der Erstattungsbetrag in der Lauer-Taxe erscheine, sei für ihn kein Thema, aber „der G-BA muss den Erstattungsbetrag verarbeiten dürfen, der Betrag muss dem G-BA rechtmäßig zur Verfügung stehen.“

Da viele Länder den deutschen Listenpreis für die Arzneimittelpreisbildung heranzögen, würde der in Deutschland verhandelte Rabatt automatisch in viele Länder exportiert, sagte Wegener. Das minimiere die Verhandlungsspielräume der Industrie.

„In einer Situation, in der ich den angebotenen Rabatt nicht veröffentlichen muss und in der er nicht Grundlage für weltweite Preisreduzierungen ist, kann ich als Unternehmen der gesetzlichen Krankenversicherung einen höheren Rabatt anbieten, und dies käme durch geringere Ausgaben der Kassen unmittelbar den Versicherten zugute“, so Wegener. Insofern sei eine Vertraulichkeit auch für die GKV besser.

fos

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