Politik

Pharmaskandal: Ermittler geben Akten an Brandenburgs Gesundheits­ministerium

  • Freitag, 20. Juli 2018
/Kadmy, stockadobecom
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Potsdam – Im Pharmaskandal um möglicherweise in Griechenland gestohlene Krebsmedikamente hat die Potsdamer Staatsanwaltschaft die Justizakten dem Brandenburger Gesundheitsministerium übergeben. „Sie werden jetzt intensiv geprüft“, sagte Ministeriumssprecherin Marina Ringel. „Wir erwarten uns Aufschluss über verschiedene Vorgänge.“ Unterdessen gibt es Forderungen nach personellen Konsequenzen. Zudem wurde eine Sondersitzung des Gesundheits­ausschusses im Landtag beantragt. Unklar ist weiter, ob die Medikamente eine Gefahr für die Gesundheit waren.

Vor Kurzem war bekanntgeworden, dass ein Brandenburger Pharmahändler gestohlene Krebsmedikamente mit unklarer Wirksamkeit von einer Apotheke in Griechenland vertrieben haben soll. Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit April 2017 wegen Hehlerei. Bereits im Dezember 2016 hatte es erste Hinweise auf Unstimmigkeiten gegeben. Doch erst im Juni 2017 hatten die Brandenburger Behörden der Firma den Handel mit dieser Apotheke untersagt.

Berlin auch betroffen

Die Berliner Gesundheitsverwaltung teilte gestern mit, dass die fraglichen Mittel auch an Patienten in Berlin gingen. Eine Überprüfung habe ergeben, dass eine Berliner Apotheke mit vier verschiedenen Medikamenten beliefert worden sei. Sie habe mit den Mitteln – in erster Linie Stoffe für die Chemotherapie – zwischen September 2015 und März 2017 sechs Arztpraxen und eine Rehaeinrichtung versorgt. Derzeit gebe es keine Erkenntnisse, dass in Berlin Patienten geschädigt worden seien.

Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD) forderte vom Nachbarland Aufklärung. „Wir sind allerdings auf schnelle und lückenlose Informationen aus Brandenburg angewiesen. Ich gehe davon aus, dass diese nun auch erfolgt“, erklärte sie.

„Ministerpräsident Dietmar Woidke erwartet selbstverständlich eine umfassende Aufklärung und geht davon aus, dass Ministerin Diana Golze alle offenen Fragen beantwortet“, sagte Brandenburgs Vize-Regierungssprecherin Gerlinde Krahnert. Die Landesregierung nehme die bekanntgewordenen Vorgänge um den Handel mit gefälschten Medikamenten „sehr ernst.“ Viele Menschen im Land seien verunsichert, Patienten wollten zu Recht Klarheit. „Das zuständige Ministerium arbeitet daran mit Hochdruck. Bei aller gebotenen Sensibilität und Brisanz des Themas sind politische Schnellschüsse jedoch keine Lösung“, so Krahnert.

Warum das Unternehmen seine Betriebserlaubnis behalten konnte, sei nicht nachvollziehbar, hatte Gesundheitsministerin Golze (Linke) vorgestern nach tagelangem Schweigen gesagt. Sie räumte Fehler und Versäumnisse ein.

Gestern kündigte Golze an, dass ihr Ministerium ab heute ein Informations­telefon für Patienten anbietet. „Es soll zur Aufklärung beitragen und ist eine zusätzliche Möglichkeit, Nachfragen zu stellen“, so Golze.

Unklar ist vor allem, warum das Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit (LAVG) nicht die Leitung des Ministeriums über ein Amtshilfe­ersuchen vom März 2017 des Landeskriminalamtes informiert hatte. In den Akten der Behörde soll es nur indirekte Hinweise auf das Dokument geben, das Papier selbst soll nicht auftauchen, wird aber in den Justizakten vermutet.

Noch offen ist der Termin für die geplante Sondersitzung des Gesundheitsausschusses. Die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und CDU hatten sie für nächste Woche beantragt. Darüber werde das Präsidium des Landtags entscheiden, wegen der Sommerpause des Parlaments allerdings schriftlich, teilte ein Sprecher des Landtags mit.

Viele Fragen offen

Die SPD-Landtagsfraktion unterstützt nach den Worten ihrer gesundheitspolitischen Sprecherin Britta Müller die Sondersitzung. „Leider sind noch viele Fragen offen.“ Daher müsse das Verhalten der zuständigen Landesbehörden genau untersucht werden. Noch sei nicht abzuschätzen, wie viele Patienten Opfer der illegalen Krebsmedikamente geworden seien, sagte Steeven Bretz, Generalsekretär der Brandenburger CDU. Mög­licher­weise seien Schwerstkranke durch das eklatante Versagen des Gesundheits­ministeriums zu Schaden gekommen.

Von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) verlange er, in dieser Situation nicht zu schweigen. „Ich erwarte, dass er sich zu der schwerwiegenden Verletzung von Schutzpflichten in seinem Verantwortungsbereich äußert“, sagte der CDU-Politiker.

Die AfD forderte den Rücktritt von Golze. „Wir erleben eine linke Ministerin, die mit letzter Kraft um das Überleben kämpft, der wir aber heute schon prophezeien können, dass dieser Kampf bereits verloren ist“, sagte Fraktionschef Andreas Kalbitz.

dpa

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