Medizin

Plötzlicher Herztod bei Herzinsuffizienz auch ohne ICD seltener geworden

  • Donnerstag, 6. Juli 2017

Glasgow - Menschen mit chronischer Herzinsuffizienz sterben heute deutlich seltener an einem plötzlichen Herztod als noch vor zwei Jahrzehnten. Eine retrospektive Analyse von klinischen Studien im New England Journal of Medicine (2017; 377: 41-51) führt den günstigen Trend auf eine verbesserte medikamentöse Versorgung zurück, die nach Ansicht der Autoren die aktuellen Entscheidungskriterien für Implantierbare Kardioverter-Defibrillatoren (ICD) in Frage stellt.

Die derzeitigen amerikanischen und europäischen Leitlinien raten bei Patienten mit symptomatischer Herzinsuffizienz (NYHA II-III) und einer Ejektionsfraktion von unter 35 Prozent trotz optimaler Pharmakotherapie über mehr als drei Monate zur Implantation eines ICD. Die Empfehlung stützt sich auf randomisierte Studien, die teilweise zwei Jahrzehnte zurückliegen. Während dieser Zeit hat jedoch auch die medikamentöse Therapie der Herzinsuffizienz Fortschritte gemacht, so dass sich für John McMurray vom Cardiovascular Research Centre der Universität Glasgow die Frage stellt, ob die Empfehlungen noch zeitgemäß sind. Er verweist auf die Ergebnisse der sogenannten DANISH-Studie, die den Nutzen der ICD-Behandlung bei Patienten mit nicht-ischämischer Herzinsuffizienz untersucht hat. Dort hatte die ICD-Implantation zwar die Zahl der plötzlichen Herztode vermindert. Die Zahl der Todesfälle war jedoch so gering, dass sie die Gesamtsterblichkeit der Patienten nicht verringerte (NEJM 2016; 375: 1221-30). Neben der besseren medikamentösen Therapie könnte auch die Tatsache, dass viele Patienten einen speziellen Herzschrittmacher zur Resynchronisation der beiden Herzkammern erhalten haben, eine Rolle gespielt haben.

McMurray hat jetzt die Ergebnisse von 12 randomisierten Medikamentenstudien ausgewertet, die im Zeitraum von 1995 und 2014 durchgeführt wurden. Die Analyse wurde auf 40.195 Teilnehmer beschränkt, die keinen ICD erhalten haben. In der frühesten Studie (RALES, die 1998 abgeschlossen war) waren noch 6,5 Prozent der Patienten in den ersten 90 Tagen der Studie an einem plötzlichen Herztod gestorben. In der jüngsten Studie (PARADIGM-HF, die im Jahr 2014 abgeschlossen wurde) waren es nur noch 3,3 Prozent. Die chronologische Aufreihung der Studien ergab einen linearen Trend zu einem sinkenden Risiko auf einen plötzlichen Herztod. Über den gesamten Zeitraum nahm die relative Häufigkeit des plötzlichen Herztodes signifikant um 44 Prozent ab (Hazard Ratio 0,56; 0,33-0,93).

Die Ursache für die günstige Entwicklung kann die Untersuchung nicht klären. Für McMurray liegt aber auf der Hand, dass dies den Fortschritten in der medikamentösen Behandlung zu verdanken ist. Die Einführung von ACE-Hemmern, Angiotensin 1-Antagonisten, Betablockern und Mineralokortikoidrezeptor-Antagonisten habe die Überlebenschancen der Patienten in den letzten beiden Jahrzehnten verbessert. Und mit der Einführung des Neprilysin-Inhibitors Sacubitril (in Kombination mit Valsartan), die in der Analyse noch nicht berücksichtigt wurde, werde die Zahl der plötzlichen Todesfälle vermutilch weiter senken, so McMurray. 

Dies alles macht nach Ansicht von McMurray den gezielteren Einsatz von ICD erforderlich, zumal die Geräte nicht nur kostspielig seien, sondern die Patienten durch Fehlfunktionen und Infektionen auch gefährden könnten. Zu den Einschränkungen der Studie gehört, dass die Analyse retrospektiv erfolgte und die Teilnehmer der Studien häufiger jünger waren und weniger Begleiterkrankungen aufwiesen als die Patienten, die im klinischen Alltag mit einem ICD versorgt werden.

rme

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung