Ärzteschaft

PrEP-Engpässe: HIV-Experten fürchten Anstieg der Neuinfektionen

  • Dienstag, 16. Januar 2024
/Orawan, stock.adobe.com
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Berlin – Die Wirkstoffkombination Emtricitabin/Tenofovirdisoproxil für die HIV-Präexpositionsprophylaxe (PrEP) ist in Deutschland wegen Lieferengpässen kaum noch erhältlich. Das zeigt eine Umfrage der Deutschen Arbeits­gemeinschaft ambulant tätiger Ärztinnen und Ärzte für Infektionskrankheiten und HIV-Medizin (dagnä). Der Ver­band warnt vor mehr Neuinfektionen.

In der Umfrage haben knapp 90 Prozent der HIV-Schwerpunktpraxen Lieferenpässe bei den PrEP-Präparaten ge­meldet. Die Mehrheit gab an, dass sie nur noch reduzierte Packungsgrößen herausgeben könnten (rund 56 Pro­zent). Mehr als ein Drittel meldete, dass PrEP-Nutzer die regelmäßige Einnahme der Mittel unterbrechen müssten (36 Prozent). Auch laufende HIV-Therapien seien umgestellt worden (28 Prozent).

„Wir sind an dem Punkt, vor dem Praxen und Apotheken seit Monaten warnen“, sagte dagnä-Vorstandsmitglied Stefan Mauss. Da sich in Deutschland aktuell knapp 40.000 Menschen mit PrEP vor HIV schützen, sei angesichts des Mangels ein Anstieg der Neuinfektionen unvermeidlich.

Besonders bedrohlich kann die Situation dem Verband zufolge für HIV-positive Menschen werden, die Emtricita­bin/Tenofovirdisoproxil im Rahmen einer Salvage-Therapie einnehmen, wenn andere Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft sind. Ihnen fehle ein lebenswichtiges Medikament, hieß es. „Der Schaden ist groß“, sagte Mauss. Jetzt müsse die Politik handeln, damit er nicht noch größer werde.

Laut dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gibt es offizielle Lieferengpässe von Emtricitabin/Tenofovirdisoproxil bei drei Herstellern, die zusammen 71 Prozent des Marktes abdecken. Das Ins­ti­tut hat daher angekündigt, zu prüfen, ob Hersteller im Ausland wirkstoffgleiche Medikamente mit europäischer Zulassung für den Gebrauch in Deutschland verfügbar machen könnten.

Zudem werde das BfArM auf das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zugehen, um zu klären, ob ein offizi­eller Versorgungsmangel ausgesprochen werden sollte, um weitere Maßnahmen zur Beschaffung der Medika­mente einzuleiten.

Dass der Mangel in Deutschland von Herstellern im europäischen Ausland kompensiert werden könnte, halten Experten für unwahrscheinlich.

„Die Lage ist nirgendwo so dramatisch wie in Deutschland, aber in den Nachbarländern können meist auch nur die Heimatmärkte bedient werden“, sagte Erik Tenberken, Vorstand der Arbeitsgemeinschaft HIV-kompetenter Apotheken (DAHKA).

Alle Beteiligten betonten, dass die Verantwortung nun vor allem bei der Politik liege. „Die PrEP ist ein wesent­licher Bestandteil der HIV-Prävention – wenn dieser Schutz vor HIV weiter ausfällt, wird das fatale Auswirkungen haben“, sagte Sven Warminsky vom Vorstand der Deutschen Aidshilfe.

hil

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