Prostatakarzinom: Neue Studie sieht Vorteile für das PSA-Screening

Ann Arbor/Michigan – Das umstrittene PSA-Screening, das aufgrund widersprüchlicher Studienergebnisse von einigen Fachgesellschaften nicht mehr empfohlen wird, ist laut einer Re-Analyse zweier maßgeblicher Studien in den Annals of Internal Medicine (2017; doi: 10.7326/M16-2586) in der Lage, das Sterberisiko am Prostatakrebs zu senken.
Ein Anstieg des prostataspezifischen Antigens (PSA) kann auf ein Prostatakarzinom im Frühstadium hinweisen. Der vermeintliche Tumormarker ist jedoch auch bei benignen Erkrankungen, etwa einer Prostatahyperplasie erhöht. Sein Wert zur Früherkennung ist deshalb umstritten. Hinzu kommt, dass viele ältere Männer mit einem Prostatakarzinom, das meist eine langsame Wachstumstendenz hat, vor Erreichen eines symptomatischen Stadiums aus anderen Gründen sterben. Die Entfernung der Prostata, die nicht selten eine Harnwegsinkontinenz und/oder eine erektile Dysfunktion zur Folge hat, wäre für diese Personen eine Übertherapie, die die Lebensqualität empfindlich beeinträchtigen könnte – ähnliche Einwände gelten für die Radiotherapie.
Zwei große randomisierte Studien, die die Auswirkungen des Screenings auf die Sterblichkeit am Prostatakarzinom klären sollten, sind in den letzten Jahren zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen. Die europäische ERSPC (European Randomized Study of Screening für Prostatakrebs) ermittelte eine signifikante Reduktion der Todesfälle am Prostatakarzinom. Der US-amerikanische PLCO (Prostate, Lung, Colorectal, and Ovarian Cancer Screening Trial) konnte dies nicht bestätigen. Hier war die Sterblichkeit in der Screening-Gruppe sogar tendenziell erhöht.
Die Ergebnisse hatten jüngst die United States Preventive Services Task Force (USPSTF) bewogen, sich gegen ein allgemeines PSA-Screening auszusprechen. Die Deutsche Gesellschaft für Urologie und der Berufsverband der Deutschen Urologen haben sich kürzlich ähnlich geäußert. Für eine allgemeine Screening-Empfehlung sei die Zeit noch nicht reif, hieß es.
Ein breites Konsortium von Wissenschaftlern, darunter auch einige Autoren von ERSPC und PLCO, haben die Daten der beiden Studien jetzt noch einmal analysiert. Dabei ging es vor allem darum, einige Schwächen der Studien zu beheben. So hatten zwei Drittel der Männer aus der Kontrollgruppe der PLCO entgegen dem Protokoll später doch einen PSA-Test durchführen und einige sich auch operieren lassen. Dies führte zu einer Verlängerung der mittleren Lead time (MLT). Das ist die Zeit, um die sich die Überlebenszeit der Patienten scheinbar verlängert, weil eine Diagnose durch ein Screening vorzeitig gestellt wird.
Alex Tsodikov von der Universität von Michigan in Ann Arbor und Mitarbeiter haben die unterschiedlichen MLT in den beiden Studien zum Ausgangspunkt für eine Neuberechnung der Ergebnisse benutzt.
Ergebnis: Für jedes Jahr, die ein Prostatakarzinom durch das Screening früher entdeckt wurde, kam es zu einem Rückgang der prostatakrebsspezifischen Sterblichkeit um 7 bis 9 Prozent. In der ERSPC-Interventionsgruppe hatte dies insgesamt eine Risikominderung von 27 bis 32 Prozent und in der PLCO-Studie eine Risikominderung von insgesamt 25 bis 31 Prozent im Vergleich zu den Kontrollgruppen zur Folge.
Eine Stärke der Berechnungen ist sicherlich, dass beide Studien jetzt zu ähnlichen Ergebnissen kommen. Die MLT ist jedoch ein relativ grober Maßstab für die Beurteilung des Screenings, sodass nicht ganz sicher ist, ob die Ergebnisse der Re-Analyse die Wirklichkeit richtig widerspiegeln. Es bleibt deshalb abzuwarten, wie die Fachgesellschaften auf die neuen Ergebnisse reagieren werden.
Für Andrew Vickers vom Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York besteht gibt kein Zweifel mehr daran, dass das PSA-Screening die Sterblichkeit am Prostatakrebs senken kann. Die Frage laute jetzt nicht mehr, ob gescreent werden sollte oder nicht. Die Debatte sollte sich der Frage zuwenden, wie ein Schaden durch ein Screening verhindert werden könnte, schreibt Vickers im Editorial. Konkret geht es darum, nur die Männer zu screenen, denen bei einem positiven Testergebnis (und der Bestätigung durch eine Biopsie) später durch Operation oder Strahlentherapie zu einem längeren Leben in guter Lebensqualität verholfen werden kann.
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