Prozess wegen Datendiebstahls gegen ehemaligen ABDA-Sprecher unterbrochen
Berlin – Mit dem ehemaligen Kommunikationschef der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), Thomas Bellartz, muss sich ein führender deutscher Lobbyist seit heute wegen mutmaßlich illegaler Informationsbeschaffung vor dem Landgericht Berlin (Az.: 501-39/13) verantworten. Bellartz soll den Systemadministrator Christoph H., der ebenfalls vor Gericht steht, dafür bezahlt haben, den Schriftverkehr von Staatssekretären des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) für ihn auszuspionieren.
Die Verhandlung gegen Bellartz und den IT-Fachmann H., der damals ein externer Mitarbeiter im Ministerium war, wurde heute allerdings noch vor Anklageverlesung unterbrochen. Grund waren Anträge von Bellartz’ Verteidiger. Rechtsanwalt Carsten Wegner rügte nicht nur die Besetzung der Schöffen, sondern auch die zwischenzeitlich veränderte Zuteilung des Verfahrens innerhalb des Gerichts. Der Vorsitzende Richter Reimar Mülders kündigte eine Entscheidung über die Rüge bis zum nächsten Verhandlungstermin am Freitag kommender Woche an.
Munition für Lobbyisten
Staatsanwalt Roland Hennicke sagte nach der Unterbrechung der Hauptverhandlung, Bellartz habe mit dem Ankauf ausgespähter E-Mails aus dem Ministerium „Munition für Lobbyisten“ erworben. Der Angeklagte H. soll laut Anklage in den Jahren 2009 bis 2012 mit einem Generalpasswort den Schriftverkehr der Staatssekretäre ausgespäht und die Daten auf CDs gebrannt haben.
Bellartz soll in 40 Fällen zumeist dreistellige Beträge bezahlt haben, alles in allem rund 27.000 Euro. Das geht laut Hennicke aus den Kontobewegungen beider Angeklagter hervor. „Es gab einen anonymen Hinweis“, sagte Hennicke über den Anfangsverdacht der Ermittler. Dieser sei „relativ konkret“ gewesen. Observationen und Hausdurchsuchungen belasteten die Angeklagten demnach weiter.
Unklar ist nach Angaben Hennickes, ob auch der Apothekerverband ABDA von dem Inhalt der E-Mails profitierte. Bellartz habe die Informationen im Informationsdienst „Apotheke adhoc“ veröffentlicht, dessen Herausgeber er bis heute ist. Bellartz habe durch sein Handeln den Inhalt neuer Gesetze oder geänderter Verordnungen gekannt, noch bevor die Staatssekretäre diese endgültig abgenickt und dem Minister zugeführt hätten, sagte Hennicke. „Hier kann eingegriffen werden zu einem Zeitpunkt, wo noch keine Entscheidung vorliegt.“
Einem Bericht der Süddeutschen Zeitung zufolge waren ABDA-Vertreter bei einem Treffen mit Ministeriumsmitarbeitern schon vorab informiert über interne Pläne zur Reduzierung der Verkaufsfläche für nicht pharmazeutische Produkte in Apotheken. Die entsprechende Verordnung sei schließlich nicht zustande gekommen. „Das wird Gegenstand der Beweisaufnahme sein“, sagte Hennicke hierzu.
Keine Einlassungen
Die Anklage wegen Ausspähens von Daten und Verstoßes gegen das Bundesdatenschutzgesetz wurde Ende 2013 erhoben. Die Angeklagten ließen sich zu den Vorwürfen bisher nicht ein. Bis Ende April sind 16 weitere Verhandlungstermine angesetzt. Die Anklage wurde bereits vor mehr als drei Jahren erhoben. Hennicke nannte den späten Prozessbeginn „extrem“. Möglicherweise werde die lange Verfahrensdauer eine Reduzierung des Strafmaßes bewirken.
Die Berliner Gerichte sind chronisch überlastet. Da weder Bellartz noch H. in Untersuchungshaft saßen, musste das Verfahren immer wieder zurückgestellt werden, weil Prozesse mit inhaftierten Angeklagten beschleunigt abgeschlossen werden müssen.
H. muss sich zudem für einen Einbruch in ein Mehrfamilienhaus vor 13 Jahren verantworten. Er soll damals 52.000 Euro und einen Computer gestohlen haben. Ferner wird ihm der Besitz kinderpornografischer Bilder und Videos vorgeworfen.
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