Spionage im BMG: Früherer Apothekerlobbyist und IT-Fachmann schuldig gesprochen

Berlin – Wegen des Ausspähens von Daten im Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat das Landgericht Berlin heute einen früheren Apothekerlobbyisten und einen IT-Fachmann verurteilt. In der Zeit von Ende 2009 bis Ende 2012 seien E-Mail-Postfächer von hochrangigen Mitarbeitern der Behörde abgeschöpft worden – „bis hin zum Minister“, erklärte das Landgericht Berlin heute. Der damalige Systemadministrator habe für weitergegebene Interna mindestens 18.600 Euro von dem Mitangeklagten erhalten.
Der ehemalige Pressesprecher der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), Thomas Bellartz, muss 52.800 Euro bezahlen, wie der Vorsitzende Richter Reimar Mülders heute verkündete. Der IT-Fachmann Christoph H. wurde zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und elf Monaten verurteilt. H. hatte den Schriftverkehr ranghoher Mitarbeiter aus dem Ministerium ausgespäht und die E-Mails an Bellartz verkauft.
Die Männer hatten sich 2006 kennengelernt, wie der Vorsitzende Richter bei der Urteilsverkündung erläuterte. H. war für eine externe Firma als Systemadministrator für das Ministerium tätig und hatte dadurch Zugang zu den E-Mails. Spätestens Ende 2009 begannen sie nach Auffassung des Gerichts, regelmäßig Datenträger gegen Geld auszutauschen. Der damalige Apothekersprecher bezahlte pro Lieferung demnach zwischen 400 und 600 Euro.
Bellartz war dem Gericht zufolge unter anderem am E-Mailverkehr des damals neuen Bundesgesundheitsministers Philipp Rösler (FDP), seines Nachfolgers Daniel Bahr (FDP) und der damaligen Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz (CDU) interessiert. Der Lobbyist habe sich einen Wissensvorsprung bei Gesetz- und Verordnungsentwürfen des Ministeriums in Bezug zur Apothekerschaft verschaffen wollen.
Nicht nachgewiesen werden konnte, dass andere Mitarbeiter der ABDA von dem Datenklau gewusst haben. Bellartz habe die Daten daher wohl nur für seinen eigenen Vorteil in der Branche genutzt. Mülders wertete für beide Männer als strafmildernd, dass die Sicherheitsvorkehrungen des Ministeriums zum Zeitpunkt der Taten unzureichend waren. Den nicht vorbestraften Angeklagten sei der Daten-Diebstahl leicht gemacht worden, hieß es. Es habe damals „erhebliche Mängel“ im Ministerium gegeben. So seien Zugriffe auf persönliche E-Mail-Konten nicht dokumentiert worden.
Im Zuge der Ermittlungen stellte sich heraus, dass H. 2005 unabhängig von dem Datenklau bei einem Bekannten eingebrochen war und eine fünfstellige Geldsumme gestohlen hatte. Zudem wurden bei ihm Kinderpornos gefunden. Daher summierte sich sein Strafmaß auf die Bewährungsstrafe.
Davon gelten fünf Monate als bereits vollstreckt, weil das Verfahren extrem lange dauerte. Das Urteil fiel mehr als sechs Jahre nach Bekanntwerden des Verdachts und nach einem 15-monatigen Prozess.
Das liegt vor allem an einer andauernden Unterbesetzung der Richter, die dafür verantwortlich ist, dass Nicht-Haftsachen warten müssen. Das gilt auch für diverse Verfahren im Gesundheitswesen. So konnte die Hauptverhandlung erst im Januar 2018 und damit mehrere Jahre nach der Anklageerhebung beginnen. Auch Bellartz' Geldstrafe wurde aus dem Grund von 66.000 Euro auf 52.800 Euro gesenkt.
Das Verfahren war 2012 nach einem anonymen Hinweis an das Ministerium ins Rollen gekommen. Ein Schaden durch den Daten-Klau sei aber nicht entstanden, hieß es am Rande des Prozesses. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Rechtsmittel sind möglich. Einer der Verteidiger, die auf Freispruch plädiert hatten, kündigte bereits Revision an.
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