Politik

Psychiater und Politiker kritisieren rigide Personalvorgaben für psychiatrische Kliniken

  • Freitag, 9. September 2022
/picture alliance, dpa, Armin Weigel
/dpa

Berlin – Vertreter psychiatrischer Krankenhäuser haben die Ausgestaltung der Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik-Richtlinie (PPP-RL) kritisiert. Sie riefen die Bundesregierung bei einer Veranstaltung des Bundesverbands Deutscher Privatkliniken (BDPK) dazu auf, die Vorgaben ändern zu lassen.

„Die PPP-RL vermindert die Behandlungsqualität durch antiquierte Minutenwerte, einen starren Stationsbe­zug, einen gesteigerten Dokumentationsaufwand von 17 Stunden pro Krankenhaus und Woche sowie durch rigide Anrechnungsregelungen“, bemängelte Christoph Smolenski, Geschäftsführer der Dr. von Ehrenwall’­schen Klinik in Ahr­wei­ler.

Seit Januar 2020 müssen Kliniken der Psychiatrie, der Kinder- und Jugendpsychiatrie und psychosomatische Abteilungen bei der personellen Besetzung ihrer Stationen die Vorgaben der PPP-RL erfüllen.

Dabei müssen die rund 600 psychiatrischen Krankenhäuser in Deutschland nachweisen, dass sie für alle the­rapeutischen Berufsgruppen Mindestvorgaben einhalten. Wenn die Mindestpersonalvorgaben einrichtungs­bezo­gen über einen Zeitraum von drei Monaten nicht erfüllt werden, führt dies bei den Kliniken ab 2023 zu finanziellen Sanktionen.

„Sanktionen stehen in keinem Verhältnis“

„Über der Umsetzung der PPP-RL schwebt der Fachkräftemangel“, betonte Smolenski. „Damit droht erstens die Nichtumsetzbarkeit der PPP-RL und zweitens eine Belegungskürzung bis hin zum Behandlungsverbot.“ Die PPP-RL konterkariere moderne, flexible und individuelle Behandlungskonzepte.

„Wir leben in einer Zeit des akuten Fachkräftemangels“, betonte auch der Regionalgeschäftsführer der Askle­pios Kliniken im thüringischen Stadtroda, Volker Thesing. „Die Psychiatrie ist eine sprechende Medizin und kann deshalb Defizite nicht durch ausländische Pflegekräfte ausgleichen.“ Durch die PPP-RL seien nun gewachsene Strukturen in Gefahr.

„Die Kliniken, die die Vorgaben nicht erfüllen können, werden enorm sanktioniert“, kritisierte Thesing. „Wir be­treiben in der Nähe von Berlin eine zentrale Tagesklinik mit zwölf Mitarbeitern. Wenn einmal zwei Vollzeit­kräfte ausfallen, müsste die Klinik 73 Prozent ihrer gesamten Erlöse als Sanktionen zahlen. Das steht in kei­nem Verhältnis.“ Die Vorgaben könnten die Kliniken also in Existenzgefahr bringen.

„Wenn die Kliniken Sanktionen vermeiden wollen, bleibt ihnen nur, die Versorgung zu reduzieren“, so Thesing. „Und das würde zu noch längeren Wartezeiten der Patienten führen.“

Kappert-Gonther: Scharfstellen der Sanktionen verhindern

Die stellvertretende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses des Bundestags, Kirsten Kappert-Gonther, zeigte sich ebenfalls unzufrieden mit der Ausgestaltung der Richtlinie.

„Ich finde die Intention richtig zu sagen: Wir möchten dafür sorgen, dass in den Kliniken ausreichend Personal vorhanden ist, um die Patienten gut zu ver­sorgen. Die PPP-RL erfüllt diese Vorgabe aber nicht“, sagte die Politikerin, die selbst Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie ist.

Die Richtlinie sei zu unflexibel. „So, wie sie jetzt ausgestaltet ist, zementiert sie die stationäre Versorgung und verhindert mehr ambulante Behandlungen“, sagte Kappert-Gonther. Zudem sei der Dokumentationsaufwand zu hoch. Und sie sei zu unflexibel im Hinblick auf den Einsatz verschiedener Berufsgruppen.

„Im Moment müssen wir verhindern, dass die Sanktionen scharfgestellt werden“, befand die Politikerin. „Und wir müssen die PPP-RL klug weiterentwickeln. Erst dann, wenn die Vorgaben erfüllbar sind und mit ihr die Versorgung verbessert wird, kann man die Nichteinhaltung auch sanktionieren.“

fos

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