Ärzteschaft

Bedarf an Psychotherapie für Kinder und Jugendliche höher als vor Corona

  • Mittwoch, 19. Oktober 2022
/VectorBum, stock.adobe.com
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Berlin – Der Bedarf an Psychotherapie für Kinder und Jugendliche liegt einer Umfrage zufolge immer noch 48 Prozent über dem Niveau von vor der Pandemie, wenngleich der Bedarf leicht gesunken ist. Das teilte die Deutsche Psychotherapeutenvereinigung (DPtV) heute auf Grundlage einer Erhebung unter ihren Mitgliedern mit.

Die befragten 2.270 Vertragspsychotherapeutenpraxen gaben an, über alle Altersgruppen hinweg wöchent­lich im Schnitt 6,9 neue Anfragen zu erhalten. Damit lag die Zahl der Patientenanfragen insgesamt für Kinder, Jugendliche und Erwachsene im Sommer 2022 weiterhin 40 Prozent über dem Wert von vor der Pandemie.

„Der Anstieg, den wir schon 2021 beobachten konnten, ist praktisch unverändert", erklärte der DPtV-Bundes­vorsitzende Gebhard Hentschel. Die große Nachfrage 2021 sei kein vorübergehendes Phänomen gewesen, sondern scheine sich zu stabilisie­ren. „Der Leidensdruck durch Pandemie, Krieg und Klimakatastrophen kommt bei den Menschen an.“

Höherer Bedarf in Großstädten

Im Vergleich zwischen Januar 2020 und Juni 2022 gaben die Kassenpraxen einen Anstieg der Patientenanfra­gen von 42 Prozent an. Bei Privatpraxen stieg der Wert sogar um 62 Prozent. Vor allem in Großstädten wurde mehr nach Psychotherapie gefragt. Dort ging der Wert im Vergleich zu vor der Pandemie um 48 Prozent nach oben.

In kleineren Städten oder auf dem Land waren es 35 Prozent. Gegenüber dem Januar 2021 verzeichneten die Großstadtpraxen im Juni 2022 ein Anfrageplus von noch einmal zwei Prozentpunkten.

„Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten geben ihr Bestes. Sie beraten, welche unterstützende Maß­nahme nötig ist, bieten Therapie an oder helfen bei der weiteren Therapieplatzsuche. Bereits ein Drittel der Befragten empfindet die gestiegene Nachfrage als sehr belastend“, sagte Hentschel.

Nur acht Prozent der Patienten können innerhalb eines Monats Richtlinientherapie beginnen

Von den durchschnittlich 6,9 Menschen pro Woche, die anfragen, erhält durchschnitt­lich nur rund jeder vierte Patient einen Termin für eine psychotherapeutische Sprechstunde in der jeweiligen Praxis. Nur 3,5 Prozent erhalten ihn innerhalb einer Woche. 51 Prozent warten mehr als einen Monat.

Drei Viertel der Patienten müssen weitere Praxen kontaktieren, um einen Termin zu bekommen. Eine Richt­linienpsychotherapie können Patienten in acht Prozent der Praxen binnen einem Monat nach ihrer Anfrage beginnen, in 30 Prozent binnen einem halben Jahr.

Forderung nach mehr genehmigten Kostenerstattungen

Die DPtV forderte die Bundesregierung auf, das Thema psychische Gesundheit nicht zu vernachlässigen. Der Bedarf sei weiter groß. „Wir brauchen kurzfristig mehr durch die Krankenkassen genehmigte Kostenerstatt­ungen von Psychotherapien, die durch Privatpraxen erbracht werden“, appellierte Hentschel.

Mittelfristig sei eine gezielte Weiterentwicklung der Bedarfsplanung wichtig, vor allem auf dem Land. Das ambulante Versorgungsangebot für Kinder und Jugendliche müsse weiterentwickelt werden.

Darüber hinaus kritisiert der DPtV-Vorsitzende die geplante Streichung der Neupatientenregelung. Diese habe seit 2019 finanzielle Anreize für die Aufnahme neuer Patienten geboten. Dem Zentralinstitut für die Kassen­ärztliche Versorgung (Zi) zufolge konnten dadurch zwischen 2019 und 2021 mehr als 18 Prozent mehr Neu­patienten versorgt werden. Mit der Abschaffung der Regel drohe eine Verschlechterung der Versorgung mit ambulanter Psychotherapie.

afp/PB

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