Ärzteschaft

Psychotherapeutentag bemängelt weitere Zugangssteuerung zur Psychotherapie

  • Montag, 19. November 2018
/Paolese, stockadobecom
/Paolese, stockadobecom

Berlin – Der 33. Deutsche Psychotherapeutentag (DPT) fordert den Gesetzgeber eindringlich auf, von der Regelung im Kabinettsentwurf für ein Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) Abstand zu nehmen, mit der eine vorgeschaltete Stelle, in der Indikation und Dringlichkeit der Behandlung psychisch kranker Menschen geprüft würde, eingeführt werden soll.

In einer Resolution forderten die Delegierten vorgestern in Berlin die „ersatzlose Streichung“ dieser in Paragraf 92 Absatz 6a Sozialgesetzbuch (SGB) V vorgesehenen Regelung, in der von einer „gestuften und gesteuerten Versorgung für die psychothera­peutische Behandlung“ die Rede ist, die der Gemeinsame Bundesausschuss ausgestalten soll.

„Die beabsichtigte Regelung zielt tatsächlich auf Rationierung, Priorisierung und Selektion psychotherapeutischer Behandlungen“, heißt es in der Resolution. Sie könne weder einen zeitnahen Behandlungszugang gewährleisten, noch die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Leistungen verbessern.

Darüber hinaus diskriminiere die Regelung in Paragraf 92 psychisch kranke Menschen, indem sie neue Hürden für psychisch kranke Menschen vor einer psychotherapeu­tischen Behandlung aufbaue. Deren Teilhabe an der Entscheidung über die Behandlungs­form wäre unzulässig beschränkt.

„Die Patienten müssten sich gleich mehreren Ärzten und Psychotherapeuten öffnen und unnötig lange Versorgungswege beschreiten“, kritisieren die Delegierten des 33. DPT. Das konterkariere auch das Bemühen um einen niedrigschwelligen Behand­lungszugang.

Versorgungssteuerung „längst Realität“

„Bundesgesundheitsminister Jens Spahn fordert etwas, was es längst gibt. Mit der Strukturreform der ambulanten Psychotherapie zum 1. April 2017 ist die Versorgungs­steuerung doch längst Realität: Die psychotherapeutische Sprechstunde und die Koordination der Versorgung funktionieren gut“, erklärte Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) beim DPT.

Die Evaluation der mit der Strukturreform geänderten Psychotherapierichtlinie solle erst einmal abgewartet werden. „Meiner Ansicht nach ist dieser Passus im TSVG eine politische Strategie von Herrn Spahn, um von Problemen in der Versorgung abzulenken“, sagte der BPtK-Präsident.

BPtK fordert 1.500 zusätzliche Psychotherapeutensitze

Grund für die Versorgungsprobleme, also die langen Wartezeiten auf einen Psycho­therapie­platz vor allem in ländlichen Gebieten, ist nach Ansicht der BPtK keine unzureichende Steuerung der Patienten, sondern ein Mangel an Psychotherapieplätzen. Nach der Wartezeitenstudie betragen die Wartezeiten auf einen Therapieplatz im Bundesdurchschnitt rund fünf Monate.

Die BPtK fordert deshalb sofort 1.500 zusätzliche Vertragspsychotherapeutensitze in ländlichen Regionen, um ein Niveau wie in den Städten zu erreichen. „Diese Soforthilfe für psychisch Kranke sollte vor der Reform der Bedarfsplanung greifen“, erklärte Munz. Notwendig sei darüber hinaus eine partielle Aufhebung der Zulassungs­beschrän­kungen in Großstädten sowie die generelle Reform der Bedarfsplanung.

Reform der Bedarfsplanung zeitnah umsetzen

In einer weiteren Resolution fordert der 33. Deutsche Psychotherapeutentag deshalb den Gemeinsamen Bundesausschuss auf, die Reform der Bedarfsplanung „zeitnah umzusetzen“. Die aktuellen Wartezeiten seien vielerorts nicht mehr hinnehmbar.

Obwohl sich der Erstzugang zum Psychotherapeuten durch die Etablierung von Sprechstunden deutlich verbessert habe, fehle es nach der Erstabklärung in vielen Regionen an ausreichenden Kapazitäten für eine anschließende Psychotherapie, heißt es in dieser Resolution.

Die Bundespsychotherapeutenkammer ist nicht allein mit ihrer Forderung, die geplante Regelung in Paragraf 92 Absatz 6a SGB V im Kabinettsentwurf für ein TSVG zu streichen. Vorgestern hatte sich auch die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Niedersachsen auf ihrer Herbsttagung in Hannover „auf das Schärfste“ gegen diese Regelung ausgesprochen.

„Eine vorgeschaltete Stelle, in der Indikation und Dringlichkeit der Behandlung psychisch kranker Menschen geprüft wird, würde eine neue Hürde vor einer ambulanten Psychotherapie einführen und so den Zugang nicht erleichtern, sondern erschweren“, heißt es in einer Resolution der KVN.

Am vergangenen Freitag hatten zudem drei Psychotherapeutenverbände eine neue Petition im Bundestag gestartet, mit der sie der Forderung, die umstrittene Regelung im Gesetzgebungsverfahren zu streichen, Nachdruck verleihen.

Zuvor hatten sich bereits die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundes­vereinigung, einige KVen, die Landespsychotherapeutenkammern sowie die Allianz fachärztlicher Berufsverbände gegen die Zugangsplanungen durch den Gesetzgeber ausgesprochen.

PB

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung