Regierung will Pflegebeiträge ohne Bundestagsbeschluss anpassen

Berlin – Die Bundesregierung will sich dazu ermächtigen lassen, künftige Beitragserhöhungen in der gesetzlichen Pflegeversicherung ohne Zustimmung des Bundestags durchsetzen. Das geht aus dem Referentenentwurf zum Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) aus dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hervor. Der Aspekt hatte bisher wenig Beachtung gefunden.
Zuvor hatte die Bild berichtet, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wolle allein entscheiden, wie viel Beitragssatz künftig gezahlt werden müsse. Das wies ein Ministeriumssprecher heute zurück. Die Pläne setzten einen Beschluss der Bundesregierung im Kabinett voraus, teilte der Sprecher mit.
Er führte aus, dass der Beitragssatz auch nicht „jederzeit erhöht werden“ könne, wie die Bild schreibe. Es gehe um den Fall, wenn der Mittelbestand der Pflegeversicherung absehbar das gesetzliche Betriebsmittel- und Rücklagensoll der Pflegeversicherung zu unterschreiten drohe.
„Die Vorschrift zielt darauf, im Bedarfsfall kurzfristig die Zahlungsfähigkeit des Systems sicherzustellen“, sagte der BMG-Sprecher. Er wies darauf hin, dass es bereits in allen anderen Sozialversicherungen vergleichbare Instrumente gebe.
„In der Arbeitslosen- und Rentenversicherung kann der Beitragssatz per Rechtsverordnung erhöht werden, in der gesetzlichen Krankenversicherung können die einzelnen Krankenkassen den Zusatzbeitrag eigenständig erhöhen“, erklärte er. Die Pandemie habe gezeigt, dass ein solches Instrument auch für die Pflegeversicherung sinnvoll sei.
Parlamentarier reagierten verschnupft. „Es kann selbstverständlich nicht sein, dass es aus dem Bundesgesundheitsministerium möglich wird, den Beitragssatz jederzeit weiter zu erhöhen ohne Beteiligung des Bundestags“, sagte die pflegepolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Nicole Westig, der Bild. Das hieße ja, die Verschuldung des Umlagesystems zulasten der Jüngeren am Parlament vorbei ins Uferlose steigern zu können.
Auch die CSU-Pflegepolitikerin Emmi Zeulner kritisiert Lauterbachs Vorhaben. Sie wandte sich gegen einen „Freifahrtschein für Beitragserhöhungen, ohne die nötigen Strukturreformen anzugehen“. Notwendig seien die Debatten im Bundestag.
Am vergangenen Freitag war ein Referentenentwurf zur Reform der Pflegeversicherung bekannt geworden. Danach will Lauterbach den Beitragssatz zum 1. Juli um 0,35 Prozentpunkte erhöhen, um das Defizit der Versicherung zu decken und Leistungsverbesserungen zu finanzieren. Das entspricht jährlichen Mehreinnahmen von 6,6 Milliarden Euro.
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