Politik

Regierung will stärker gegen Engpässe bei Arzneimitteln vorgehen

  • Montag, 28. November 2022
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Berlin – Die Bundesregierung will stärker gegen Lieferengpässe bei Medikamenten vorgehen. Zuletzt hatten Apotheken erneut auf Probleme bei einer Reihe von Medikamenten hingewiesen – darun­ter Fiebersäfte für Kinder, Magensäureblocker, Hustensäfte und Blutdruckmittel.

Geplant sind Änderungen des Vergaberechts, sagte heute ein Sprecher des Bundesministeriums für Gesund­heit (BMG) in Berlin. Ziel sei es, Lieferketten breiter anzulegen, damit die Abhängigkeit von einzelnen Her­stellern abnimmt. Die Situ­ation sei trotz vorhandener Instrumente zu Ausweichpräparaten bei Engpässen unbefriedigend.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte dem ARD-Hauptstadtstudio mit Blick auf die Geset­zes­pläne gesagt, die Krankenkassen sollten nicht länger gezwungen sein, Medikamente und Wirkstoffe dort einzukaufen, wo sie am billigsten sind. Es könne nicht sein, „dass wir versuchen, bei den Wirkstoffen zum Teil ein paar Cent zu sparen, riskieren dann aber dafür die Versorgung der Bevölkerung“.

Der Marburger Bund (MB) begrüßte die Ankündigung, forderte aber weitergehende Maßnahmen. „Ich bin über­zeugt, dass weitere Schritte notwendig sind. Wir brauchen eine stärkere Rückverlagerung der Produktion wichtiger Arzneimittel nach Europa“, sagte die erste MB-Vorsitzende Susanne Johna.

Abhängigkeiten von einzelnen Standorten in China oder Indien seien nicht akzeptabel, betonte sie. „Wir for­dern die Bundesregierung daher auf, gemeinsam mit den Arzneimittelherstellern Möglichkeiten zur Re-Loka­lisierung der Produktion von Wirkstoffen und Medikamenten zu erörtern“, sagte Johna.

Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) begründete die angespannte Lage mit enor­mem Kostendruck. Um Geld zu sparen, setzten Hersteller auf eine Produktion in Asien. Fallen Chargen aus oder Transporte verspäteten sich, habe das Folgen für das hiesige Angebot.

Die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) nannten es wirklich wichtig, dass die Pharmaindustrie künftig wieder alle Medikamente bis hin zum Fiebersaft zuverlässig liefere. Es bleibe aber ein großes Fragezeichen, ob internationale Konzerne Produktionsabläufe wirklich änderten, nur weil in Deutschland höhere Preise be­zahlt würden, sagte der Sprecher des GKV-Spitzenverbands, Florian Lanz.

Fatal wäre ein schlichter Mitnahmeeffekt: „Also höhere Preise in Deutschland, höhere Gewinne bei der Phar­ma­industrie auf Kosten der Beitragszahlenden, aber die Medikamentenlieferungen bleiben genauso oft un­zuverlässig wie heute.“

Engpässe bei Arzneimitteln gibt es in Deutschland immer wieder. Für Apotheken sind sie ein Ärgernis, da sie Alter­nativen zu Medikamenten finden oder teilweise selbst herstellen müssen.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte führt derzeit etwa 300 Meldungen zu Lieferengpäs­sen auf – bei rund 100.000 zugelas­se­nen Arzneimitteln. Für viele knappe Medikamente gibt es Alternativen. Ein Lieferengpass müsse nicht gleich­­zeitig ein Versorgungsengpass sein, betont die Behörde.

Die anhaltenden Lieferengpässe betreffen verschreibungspflichtige und nicht verschreibungspflichtige Arz­nei­mittel, zeigt eine Novemberbefragung des Apothekenkonjunkturindex „APOkix“. Das Unternehmens „IFH Köln“ befragte dafür 161 Apothekeninhaber online.

Alle Befragten gaben an, im letzten Quartal in beiden Bereichen von Lieferengpässen betroffen gewesen zu sein. Besonders auffällig seien die Lieferverzögerungen bei Schmerzmitteln und Fiebersäften. Dort ließen sich in 83 Prozent der Apotheken Lieferengpässe nicht ausgleichen und Versorgungsengpässe nicht vermeiden.

Bei Antibiotika lag die Quote bei 48 Prozent, bei Magensäureblockern bei 33 Prozent. Die Apotheken beklagen laut der Umfrage zudem einen erhöhten Zeit- und Beratungsaufwand (98 Prozent), einen erhöhten Abstimmungsbedarf mit behandelnden Ärzten (98 Prozent) und eine zunehmende Verunsicherung auf Patientenseite (95 Prozent).

Aus Apothekensicht gehen die Lieferengpässe insbesondere mit Mehrarbeit (98 Prozent), Umsatzeinbußen (79 Prozent) sowie Unzufriedenheit auf Kunden- und Mitarbeiterseite (61 und 87 Prozent) einher.

dpa/hil

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