Politik

Regierungskommission kritisiert bisherige Instrumente der Qualitätssicherung

  • Dienstag, 24. Oktober 2023
/picture alliance, Waltraud Grubitzsch
/picture alliance, Waltraud Grubitzsch

Berlin – Die Regierungskommission zur Krankenhausreform kritisiert die bisherigen Bemühungen zur Quali­tätssicherung in der Versorgung. Besonders die planungsrelevanten Qualitätsindikatoren, die Mindestmengen, das Zweitmeinungsverfahren und die Qualitätsverträge werden in der zu Wochenbeginn veröffentlichten ausführlichen Stellungnahme der Regierungskommission deutlich attackiert.

Auch der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), der als Gremium für die Entwicklung dieser Instrumente vom Gesetzgeber beauftragt wurde, wird mit Kritik nicht verschont: „Durch die Zusammensetzung des G-BA aus Einrichtungen der Selbstverwaltung sind Interessenkonflikte immanenter Bestandteil seiner Arbeit. Dies hat Auswirkungen auf seine Innovationsfreudigkeit und Effizienz.“ Hier fehle es an „internationaler Erfahrung“ und Anbindung an die jeweiligen Erkenntnisse. Im Rahme der Reform solle daher eine Neustrukturierung auch dieser Aufgaben kommen.

Nach Ansicht der Regierungskommission wurden viele der Instrumente für die Qualitätssicherung bisher nicht ausreichend umgesetzt. So sei bei den 2016 vom Gesetzgeber beauftragten planungsrelevanten Qualitätsin­dikatoren eine „wirkungsvolle Umsetzung bisher nicht feststellbar“, heißt es in dem Gutachten.

Es seien mit den bisherigen Möglichkeiten keine Bewertungen geschaffen, die die Qualität von Fachabtei­lun­gen sowie unterschiedliche Qualitätsgrade differenzieren könnten. Problem sei hier, dass nur die Prozessqua­li­tät beschrieben werde, es fehle eine Risikojustierung.

Die bisherigen Informationen aus der Qualitätssicherung könnten so den Landesplanungsbehörden nicht als ergänzendes Kriterium für Klinikplanung dienen, es werden „keine ausreichenden Anhaltspunkte für passge­naue qualitätsverbessernde Maßnahmen“ geliefert.

Daher müssten neue Konzepte für die „Verwendung von Ergebnissen aus Qualitätsindikatoren im Rahmen der Krankenhausbedarfsplanung erarbeitet werden.“ Somit sollten die Arbeiten an den planungsrelevanten Quali­tätsindikatoren „umgehend eingestellt werden, damit die Ressourcen aller Beteiligten für die Entwicklung ge­eigneter Instrumente für die Krankenhausbedarfsplanung der Länder freigesetzt werden.“

Ebenso hart geht die Regierungskommission mit den Regelungen zu den Mindestmengen ins Gericht: So sei­en sie zwar ein „wirkungsvolles Instrument der Qualitätssicherung, für das eine angemessene Evidenzgrund­lage besteht“.

Allerdings: „Mit der gegenwärtigen Vorgehensweise bilden Mindestmengen kein ausreichend wirksames Instrument der notwendigen Steuerung der Leistungserbringung in Richtung angemessen ausgestatteten Einrichtungen“, schreibt die Regierungskommission.

Es sei „ungeplant und ungesteuert“, welche Einrichtungen die Leistungen erbringen könnten, „da Patientinnen und Patienten zur Behandlung in Einrichtungen ihrer Wahl gehen.“ Diese seien nicht immer die Krankenhäu­ser oder Einrichtungen, die unbedingt bedarfsnotwendig seien oder hohe Qualität hätten. „Die Steuerung sollte deshalb durch eine entsprechende Bedarfsplanung mit Zuweisung von Leistungen an geeignete Ein­richtungen erfolgen“, so die Schlussfolgerung.

Die Mitglieder der Regierungskommission sehen bei den Mindestmengen eine „wichtige und wirksame Rolle“, wenn es in einer Konvergenzphase um die Unterstützung zur Steuerung von Patientenströmen geht. „Hierbei sollten insbesondere Leistungsgruppen mit komplexen Prozeduren und Erkrankungen mit einem speziellen und erheblichen ärztlichen und pflegerischen Betreuungsaufwand ausgewählt werden, für die eine wissen­schaftliche Evidenz für einen Mengen-Outcome-Effekt vorliegt.“

Auch die Nachsorge und deren Qualität sollten künftig besser beachtet werden. Dabei, so schlägt es die Kom­mission vor, müsse auch regelmäßig überprüft werden, ob die Mindestmengen noch Teil von Strukturvorgaben sein müssen oder ob ab einem Zeitpunkt auch auf das Instrument verzichtet werden könne.

So müsse geprüft werden, ob es bereits eine ausreichende Zentralisierung vor Ort gegeben habe und ob durch die Mindestmenge die erwünschten Ergebnisse ohne Qualitätseinbußen erfüllt wurden. Nicht erfüll­bare Anforderungen dürfe es nicht geben, wie es „bei der gegenwärtigen Fassung der Qualitätssicherungs­richtlinie Früh- und Reifegeborene durch Personalvorgaben befürchtet werden muss“, schreibt die Kom­mission.

In die Qualitätsverträge, mit denen unter anderem innovative Methoden aus der Forschung schneller in die Flächenversorgung kommen sollen, wurden bisher nur wenige Krankheitsbilder eingeschlossen.

So gibt die Regierungskommission 44 Qualitätsverträge an, die beim Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTiG) registriert sind. Der G-BA hatte im Juli 2022 auch vier weitere Indikationsgebiete beschlossen, hier sind aber offenbar keine weiteren Verträge zustande gekommen.

Um auch bei anderen Instrumenten der Qualitätssicherung, wie Zweitmeinungsverfahren oder auch Pay-4-Performance-Modelle weiterzukommen, schlägt die Regierungskommission eine weitreichende „Weiterent­wicklung der beteiligten Institutionen“ im Rahmen der Krankenhausreform vor.

So sei der G-BA durch die vorgegebene Zusammensetzung oft nicht so „innovationsfreudig“. Um dies zu be­heben, schlägt die Regierungskommission ein neues Institut vor: „Für die zumindest mittelfristig notwendige Weiterentwicklung und Umsetzung von Qualitätsvorgaben und die Herstellung von Qualitätstransparenz auf der Meso- und Mikroebene sollte deshalb ein Bundesinstitut für Qualität, Patientensicherheit und Transparenz in der Gesundheitsversorgung gegründet werden“, heißt es.

Mit dem Institut solle verhindert werden, dass die oft nur als „Minimalkonsense“ entschiedenen Richtlinien nicht den „wegweisenden Entwicklungen entgegenstehen.“ Auch soll so das Tempo erhöht werden. Das IQTiG sollte den Ideen nach mit seinen Aufgaben in dem neuen Institut aufgehen. Die Trägerverbände des G-BA sollten in dem neuen Institut „definierte Rollen und Befugnisse“ bekommen, die Rolle der Pflegeberufe soll gestärkt werden.

In einer Übergangszeit könnten der G-BA und das IQTiG weiter mit den bisherigen Aufgaben betreut werden, eine wie schon im Transparenzgesetz vorgesehene weitere Unabhängigkeit des IQTiG solle noch vorangetrie­ben werden. Auch ein unabhängiges Beratergremium bringt die Regierungskommission ins Spiel, die den G-BA sowie den Gesetzgeber bei den Qualitätsvorgaben berät.

In das Beratergremium sollten „Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, wissenschaftlich orientierte Prak­tikerinnen und Praktiker sowie Vertretungen der einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften für Qualitätsmanagement, Qualitätssicherung, Patientensicherheit und Qualitätsberichterstattung“, einbezogen werden. Damit soll die Expertise bei Entscheidungen erweitert werden.

bee

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