Bundestag verabschiedet Krankenhaustransparenzgesetz

Berlin – Ab dem 1. Mai 2024 soll es einen Onlineatlas geben, der verständlich über Leistungen und Behandlungsqualität der Krankenhäuser in Deutschland informiert. Das zugrundeliegende Krankenhaustransparenzgesetz hat der Bundestag gestern Abend beschlossen. Die Fraktionen der Ampelkoalition stimmten dem Gesetz in zweiter und dritter Lesung zu. CDU/CSU, AfD und Linke stimmten dagegen.
Zuletzt gab es im Gesundheitsausschuss noch einige Änderungen am Gesetzentwurf. So sollen weitere Daten künftig veröffentlicht werden, darunter Zertifizierungen oder Notfallstufen. Zudem soll nicht nur die Personalzahl von Pflegekräften und Ärzten im Verhältnis zum Leistungsumfang veröffentlicht werden, sondern auch die Zahl der beschäftigten Hebammen.
Außerdem werden Fallzahlen von Leistungen, Komplikationsraten für ausgewählte Eingriffe sowie eine Zuordnung der einzelnen Krankenhausstandorte zu Versorgungsstufen (Level) veröffentlicht.
Das Verzeichnis soll begleitend zur geplanten Krankenhausreform starten. Zunächst sollen Daten auf Basis der Fachabteilungen veröffentlicht werden, ab 1. Oktober dann abhängig von den jeweiligen Leistungsgruppen. Diese müssen allerdings erst noch gesetzlich geregelt und von den Bundesländern zu den Krankenhäusern zugeordnet werden.
Mit dem Krankenhaustransparenzgesetz werden die Krankenhäuser verpflichtet, dem Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) die notwendigen Angaben zu übermitteln. Das InEK liefert die Daten und Auswertungen und das Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) bereitet die Daten für das Verzeichnis auf.
Zudem sieht das Gesetz Anpassungen vor, die zu einer Verbesserung der Liquidität der Krankenhäuser führen soll. Dazu gehört die Einführung einer frühzeitigen Refinanzierung von Tariflohnsteigerungen, die Erhöhung des vorläufigen Pflegeentgeltwertes von 230 auf 250 Euro sowie ein vorläufiger Mindererlösausgleich auch für Folgejahre. Damit sollen Krankenhäuser einen schnelleren Ausgleich der noch nicht finanzierten Pflegekosten erhalten.
Das Gesetz ist nicht zustimmungspflichtig, der Bundesrat muss also nicht zustimmen. Allerdings kann der Bundesrat Einspruch einlegen, der wiederum durch den Bundestag überstimmt werden könnte.
Sollte der Bundesrat aber mit einer Mehrheit von zwei Dritteln Einspruch einlegen, müssten ebenfalls zwei Drittel der abgegebenen Stimmen im Bundestag für die Zurückweisung des Einspruchs stimmen, um das Gesetz endgültig zu verabschieden. Die Ampelfraktionen haben allerdings aktuell keine Zweidrittelmehrheit im Bundestag.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte gestern Abend vor dem Bundestag, obwohl bekannt sei, dass es große Unterschiede in der Qualität der Krankenhäuser gebe, würde die Bevölkerung bei der Wahl des richtigen Krankenhauses oft allein gelassen.
„Die Menschen haben keine gute Basis, um diese Entscheidung zu treffen. Das wollen wir verändern.“ Mit den Informationen des Transparenzverzeichnisses „geben wir erstmalig den Menschen ein Instrument in die Hand, klüger und besser informiert für sich und ihre Angehörigen, für ihre Freunde die richtige Klinik zu wählen“.
Er kündigte zudem an, dass dieses Gesetz das erste von einer „ganzen Batterie“ an Gesetzen sein wird, um die Versorgung zu verbessern. So arbeiten Bund und Länder gerade an einem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz, das in vorläufigen Arbeitsentwürfen bereits bekannt geworden ist.
Damit soll die stationäre Versorgung mithilfe von Leistungsgruppen, Vorhaltepauschalen und sektorenübergreifenden Versorgern verbessert werden. Dieses Gesetz soll voraussichtlich im ersten Quartal 2024 in Kraft treten.
Sorge vor mehr Bürokratie
Von der Opposition gab es erneut Kritik. Die CDU wiederholte ihre Kritik, dass Lauterbach mit dem Gesetz versuche eine Krankenhausplanung durch Levels „durch die Hintertür“ einzuführen. Für den CSU-Abgeordneten Stephan Pilsinger komme das Gesetz zum falschen Zeitpunkt.
Erst solle die Reform geschehen und dann müsste darüber informiert werden. Zudem warnte er vor der Einführung von Doppelstrukturen und mehr Bürokratie. Er warf Lauterbach zudem vor: „Sie wollen einen Kahlschlag der kleinen Krankenhäuser auf dem Land.“ Diese würden seiner Ansicht nach durch das geplante Transparenzverzeichnis vor allem leiden.
Der Bundestagsabgeordnete der Partei Die Linke, Ates Gürpinar, sorgt sich vor weiterem Wettbewerb der Krankenhäuser. Das Verzeichnis setze ganz andere Anreize für Krankenhäuser, warnte er. Sie würden dazu gedrängt, ihre Statistiken auf dem Papier so gut wie möglich darzustellen.
So würden Kliniken vor allem junge Patientinnen und Patienten behandeln, bei denen sie ein gutes Ergebnis erwarten. „Sie werden reale Probleme in der Versorgung eher vertuschen, als sie offen darzulegen, obwohl letzteres für die Verbesserung der Kliniken dringend nötig wäre“, so Gürpinar.
Kritik gab es auch außerhalb des Parlaments. Sibylle Steiner, Vorstandsmitglied der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) nannte das Gesetz einen „Angriff auf die gemeinsame Selbstverwaltung“. Es bahne den Weg in eine unmittelbar, bis ins Detail staatlich gelenkte Gesundheitsversorgung, so Steiner.
„Das Bundesgesundheitsministerium will mit diesem Gesetz den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) umgehen und direkt auf das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) zugreifen, ohne aber selbst dafür zu bezahlen oder für die Ergebnisse zu haften“, sagte sie weiter. Dadurch werde die Gesundheitsversorgung von der gemeinsamen Selbstverwaltung entkoppelt.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) bekräftigte ebenfalls erneut ihre Kritik. „Mit diesem Gesetz wird keine zusätzliche Transparenz geschaffen, die zu einer besseren Entscheidungsgrundlage für Patientinnen und Patienten führt, es wird aber die Hoheit der Länder bei der Krankenhausplanung beendet“, kritisierte der DKG-Vorstandsvorsitzende Gerald Gaß.
Die künstliche Leveleinteilung sage nichts über die Qualität der Behandlungen in einem Krankenhaus aus, so Gaß. Es werde vielmehr zu einer Fehlleitung der Patienten führen und hochspezialisierte Fachabteilungen in kleineren Kliniken, die medizinische Leistungen in anerkannt hervorragender Qualität durchführen, benachteiligen.
Leistungsgruppen 2024 teils noch nicht zugeordnet
Er kritisierte zudem, dass im nächsten Jahr Kliniken nach Leistungsgruppen in der Qualität gelistet werden sollen, obwohl diese Leistungsgruppenzuteilung noch gar nicht durch die Länder erfolgt sein werden. Es bleibe also offen, in welcher Zuordnung und wonach Krankenhäuser hier „transparent“ bewertet werden sollen, so Gaß. Zudem sorgt sich die DKG vor neuen bürokratischen Lasten und Meldepflichten, die einen weiteren Arbeits- und Dokumentationsaufwand mit sich bringen würden.
Die Regelungen im Transparenzgesetz müssten auch zur geplanten Krankenhausreform passen, forderte der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Klaus Reinhardt. „Nur mit einem stimmigen Gesamtkonzept kommen wir zu echten Verbesserungen in der stationären Versorgung“, so Reinhardt.
Er pochte zudem auf die Einbeziehung des ärztlichen Personalbemessunginstruments. Das Transparenzgesetz lasse offen, wie eine qualitative Einschätzung, wann eine Personalausstattung wirklich für eine gute Patientenversorgung ausreicht, unterstützt werden könne. „Hier ist – mit Blick auf die ärztliche Personalausstattung – ein Bezug zum Personalbemessungssystem der Bundesärztekammer erforderlich“, so die Forderung der BÄK.
Der Marburger Bund (MB) forderte, das Krankenhaustransparenzgesetz zurückzunehmen. Die Vorsitzende des MB, Susanne Johna, könne nicht erkennen, dass die geplanten Maßnahmen für mehr Informationen über Leistungsangebote, Fallzahlen und personelle Ausstattung erforderlich und verhältnismäßig seien. Auch Johna warnte vor der Produktion von bürokratischem Mehraufwand ohne relevanten Zusatznutzen.
„Wenn der Bundesgesundheitsminister es mit dem Bürokratieabbau wirklich ernst meint, dann müssen die verfügbaren Daten automatisiert aus den Klinikinformationssystemen ausgeleitet werden, ohne dass es der Befassung bzw. Datengenerierung durch das am Patienten tätige Personal bedarf“, so Johna.
Sie befürwortet die Unterstützung bei der Refinanzierung der Pflegepersonalkosten. „Wir verstehen allerdings nicht, warum Tariflohnsteigerungen angestellter Ärztinnen und Ärzte nicht dieselbe Berücksichtigung erfahren. Das birgt die ganz reale Gefahr von Stelleneinsparungen beim ärztlichen Personal mit entsprechend gravierenden Folgen für die Versorgung“, warnte Johna.
Krankenkassen befürworten Gesetz
Der GKV-Spitzenverband ist hingegen überzeugt, dass das Transparenzverzeichnis zu einer besseren Krankenhausversorgung führt. „Das Krankenhaustransparenzgesetz schafft endlich die Voraussetzung für eine umfassende Information der Patientinnen und Patienten über die Leistungen und die Qualität der Krankenhausversorgung“, sagte Vorstandsmitglied Stefanie Stoff-Ahnis. Begrüßenswert sei zudem, dass nun mehr Daten in das Transparenzverzeichnis aufgenommen werden.
Die Verpflichtung der Krankenhäuser, aktuelle Informationen und Daten unverzüglich zu übermitteln, sei ein echter Fortschritt. Außerdem bringe es einen wichtigen Mehrwert, dass es Angaben darüber gibt, wenn Länder Ausnahmen von der Erfüllung der Qualitätskriterien des Gemeinsamen Bundesausschusses erteilen, so Stoff-Ahnis. „All diese Informationen schaffen zusammen Klarheit und Transparenz darüber, was ein Krankenhaus in welcher Qualität für die Patientinnen und Patienten leistet.“
Sie findet die Liquiditätsmaßnahmen zur Unterstützung der Krankenhäuser zudem angemessen. Allerdings sieht Stoff-Ahnis die Länder vor allem in der Pflicht, wenn es darum geht, konkrete und zielgenaue Lösungen für einzelne in Schieflage geratene Kliniken zu finden. „Insbesondere mit Blick auf die vor uns liegende Reform der Krankenhauslandschaft dürfen die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler nicht belastet werden.“
Der AOK-Bundesverband begrüßte insbesondere die letzten Änderungen des Gesetzes. „Es ist gut, dass die Abgeordneten der Regierungsfraktionen beim Krankenhaustransparenzgesetz noch einmal nachgebessert haben“, sagte Jürgen Malzahn, Leiter der Krankenhausabteilung im AOK-Bundesverband.
Besonders die jetzt geplante Anzeige von qualitativ hochwertigen Zertifikaten sei eine wichtige Verbesserung im Sinne der Patienten. Auch die Information über die Einhaltung von vom G-BA festgelegten Mindestmengen bei bestimmten Operationen und Behandlungen sei ein wichtiger Fortschritt.
Weiterentwicklung gefordert
Wünschenswert wäre es, wenn über ein transparentes wissenschaftliches Verfahren weitere patientenrelevante Inhalte wie arztbezogene Mindestmengen in das Verzeichnis integriert würden, so Malzahn weiter. Dazu sollte es ein Vorschlags- und Bewertungsverfahren geben, damit sich alle Akteure im Gesundheitswesen an der Weiterentwicklung des Transparenzverzeichnisses beteiligen können, forderte er.
Zudem begrüße der AOK-Bundesverband grundsätzlich alle Ansätze, die Qualitätsinformationen im Transparenzverzeichnis möglichst laienverständlich und in Form von leicht erfassbaren Symbolen anzuzeigen. Hier habe die AOK mit ihrem Gesundheitsnavigator bereits Erfahrungen gesammelt, zum Beispiel bei der Anzeige der Klinik-Bewertungen aus Basis der Qualitätssicherung mit Routinedaten (QSR) für bestimmte Behandlungen und Operationen.
Auch der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) sieht es als sinnvoll an, wenn Patienten über Leistungen und Qualität von Krankenhäusern barrierefrei und laienverständlich informiert werden. „Bei der Umsetzung ist aber darauf zu achten, dass es nicht zu Missverständnissen kommt: Eine Zuordnung eines Krankenhauses zu einer Versorgungsstufe lässt keinerlei Rückschlüsse auf die dort erbrachte Qualität zu“, sagte PKV-Verbandsdirektor Florian Reuther. Zu begrüßen sei zudem, dass nun auch vorliegende Qualitätssiegel und Zertifikate im Verzeichnis veröffentlicht werden müssen.
Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz mahnte zudem, dass sich Qualität nicht nur allein an der Zahl der Beschäftigten im Verhältnis zu den vorhandenen Betten, der Behandlungshäufigkeit sowie der Komplikations- und Sterblichkeitsrate festmache. „Auch die Berücksichtigung unterschiedlicher Patientengruppen und eine funktionierende Steuerung der Patienten im Krankenhaus selbst spielen eine entscheidende Rolle“, so der Patientenschützer. Dazu stehe zu wenig im Krankenhaustransparenzgesetz.
Ebenso bleibe ungeklärt, ob die hier vorgesehene Risiko-Adjustierung ausreiche. „Auch darf nicht vergessen werden, dass bei einer Notfallaufnahme der Einfluss der Patienten in ein bestimmtes Klinikum mit einer gesonderten Fachabteilung oft nicht gegeben ist. Die Leitstellen und Rettungsdienste müssen sicherstellen, dass es nicht zu Fehleinweisungen kommt“, so Brysch.
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