Rettungskräfte bergen zahlreiche Tote vor libyscher Küste

Tripolis – Nach der jüngsten Flüchtlingstragödie im Mittelmeer haben Rettungskräfte dutzende Tote geborgen. Retter vom Roten Halbmond hätten seit dem vergangenen Donnerstagabend 62 Leichen von Migranten aus dem Wasser geholt, sagte ein Vertreter der Hilfsorganisation, Abdelmoneim Abu Sbeih.
Das Unglück hatte sich am vergangenen Donnerstag vor der Küste der libyschen Stadt Choms ereignet. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) befürchtete mehr als 110 Tote. Die libysche Küstenwache sprach von 115 Vermissten; nach ihren Angaben wurden 145 der Schiffbrüchigen gerettet. Es war weiter unklar, wie viele Menschen an Bord waren.
Überlebende berichtete nach Angaben der Organisation Ärzte ohne Grenzen von rund 400 Insassen, die mit drei hintereinander vertauten Holzbooten das Mittelmeer überqueren wollten. Viele Leichen befänden sich noch im Wasser, sagte Sbeih vom Roten Halbmond. „Es ist unmöglich, eine Gesamtopferzahl zu nennen.“
Staatlich finanzierte Seenotrettung im Mittelmeerdringend notwendig
UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi bezeichnete den Fall als die „schlimmste Mittelmeertragödie dieses Jahres“. Nach Angaben der libyschen Marine stammten die meisten Bootsinsassen aus Eritrea. Auch Palästinenser und Sudanesen waren demnach unter den Geretteten.
Angesichts des jüngsten Unglücks vor der libyschen Küste wurden Forderungen nach einer Wiederaufnahme staatlicher Seenotrettung lauter. Es sei einmal mehr deutlich geworden, „wie dringend eine staatlich finanzierte Seenotrettung im Mittelmeer gebraucht wird“, sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt der Augsburger Allgemeinen.
„Um das Sterben von Menschen im Mittelmeer zu verhindern, brauchen wir endlich ein gemeinsam getragenes Aufnahmesystem und eine faire Verteilung von Geflüchteten auf die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union“, fügte Göring-Eckardt hinzu. Der Obmann der Fraktion der Linken im Menschenrechtsausschuss des Bundestags, Michael Brandt, nannte eine staatliche Seenotrettung „dringend erforderlich“.
UN-Flüchtlingskommissar Grandi hatte in einer ersten Reaktion auf das Unglück eine „Wiederaufnahme der Seenotrettung“, ein Ende der „Inhaftierung von Flüchtlingen und Migranten in Libyen“ und sichere Fluchtrouten aus Libyen gefordert. UN-Generalsekretär Antonio Guterres forderte im Kurzbotschaftendienst Twitter „sichere und legale Routen für Migranten und Flüchtlinge“.
In der EU ist der Umgang mit den Bootsflüchtlingen heftig umstritten. Bei Beratungen der europäischen Außen- sowie der Innenminister in Paris gibt es keine Einigung auf einen Verteilmechanismus für die Flüchtlinge. Italiens Innenminister Mattei Salvini verweigerte am vergangenen Freitag einem Schiff der eigenen Küstenwache mit 135 Migranten an Bord in Italien anzulegen. Zunächst müsse die EU die Verteilung der Migranten koordinieren; vorher werde kein Hafen geöffnet.
Die libysche Küstenwache ist Teil des Problems und nicht der Lösung
Hilfsorganisationen forderten, dass Migranten nicht nach Libyen zurückgebracht werden dürften. „Alle Flüchtlinge und Migranten, die in Lagern in Libyen festgehalten werden, müssen dringend und umgehend aus diesen evakuiert werden“, erklärte die Organisation Ärzte ohne Grenzen. Göring-Eckardt betonte: „Die libysche Küstenwache ist Teil des Problems und nicht der Lösung, weil sie mit kriminellen Schleppern und Schleusern kooperiert und Menschenrechte missachtet.“
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini betonte angesichts des jüngsten Katastrophe im Mittelmeer die „eindeutige Verpflichtung“ der EU, den „Kampf gegen Schlepper“ und die „Kapazitäten der libyschen Küstenwache“ zu verstärken. Die libyschen Behörden forderte sie zu einer Beendigung der „willkürlichen Gefangennahme von Migranten“ auf. Die Einführung von Mechanismen zur „verbesserten Behandlung der von der libyschen Küstenwache Geretteten“, sei dringend nötig, erklärte Mogherini.
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