„Die Lohnlücke zwischen Alten- und Krankenpflege muss zügig geschlossen werden“
Berlin – Im Dezember kam zum ersten Mal die Fünfte Pflegekommission zusammen, um die Arbeitsbedingungen in der Altenpflege zum Beispiel durch die Empfehlung eines Mindestentgelts zu verbessern. Im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ) erklärt die neue Vorsitzende der Kommission, die frühere Hamburger Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks, welches derzeit die größten Probleme in der Pflege sind und wie man sie lösen kann.

5 Fragen an Cornelia Prüfer-Storcks, Vorsitzende der Pflegekommission
DÄ: Wie bewerten Sie die aktuellen Rahmenbedingungen für die Ausübung des Pflegeberufs in Deutschland?
Prüfer-Storcks: Wenn ich nur einen Satz gebrauchen dürfte, um die Situation der Pflege zu beschreiben, dann würde ich sagen: Die Pflegekräfte haben zu wenige Kolleginnen und Kollegen.
Dabei ist die Pflege kein unbeliebter Beruf. Seit vielen Jahren wird die Zahl der Auszubildenden gesteigert. Wenn alle diese Absolventinnen und Absolventen einer Pflegeausbildung noch im Beruf wären, dann wäre unser Pflegeproblem wesentlich kleiner.
Aber viele Pflegekräfte suchen sich eine andere Beschäftigung oder reduzieren ihre Arbeitszeit, weil sie die Arbeitsbedingungen mit Schicht- und Wochenendarbeit, Arbeitsverdichtung und nicht verlässlicher Freizeit zu belastend finden.
Es ist gut, dass seit einigen Jahren die Pflege als politisches Topthema erkannt und wesentlich mehr als Beifall oder Coronaboni auf den Weg gebracht wurde: Die Konzertierte Aktion Pflege zur weiteren Steigerung der Ausbildungszahlen, eine neue, attraktive Ausbildung, ein Personalbemessungssystem für Pflegeheime und eine Stärkung der tariflichen Entlohnung, um nur einige Beispiele zu nennen.
DÄ: Welches sind aus Ihrer Sicht aktuell die beiden größten Probleme im Bereich der Pflege?
Prüfer-Storcks: Die Zahl der Pflegebedürftigen wächst noch stärker als erwartet, gleichzeitig konkurriert die Pflege mit allen anderen Branchen um eine schrumpfende Zahl von Schulabgängern. Die Pflegebranche wird nur mithalten können, wenn sie die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung weiter deutlich verbessert.
Dabei muss auch die Lohnlücke zwischen Altenpflege und Krankenpflege von mehreren hundert Euro im Monat zügig geschlossen werden, denn 2022 kommt die erste Generation generalistisch ausgebildeter Pflegekräfte in den Beruf. Warum sollten diese sich für die Altenpflege entscheiden, wenn sie in der Krankenpflege deutlich mehr verdienen können?
Pflege muss also teurer werden, sonst kann sie nicht sichergestellt werden. Gleichzeitig muss aber auch dafür gesorgt werden, dass die heute schon sehr hohen Eigenanteile der Pflegebedürftigen nicht durch die Decke gehen. Das geht aus meiner Sicht nur mit einer Anhebung und Dynamisierung der Leistungen der Pflegeversicherung, finanziert durch Entlastungen an anderer Stelle und einen Steuerzuschuss.
DÄ: Wie wollen Sie in der Pflegemindestlohnkommission dazu beitragen, diese Probleme zu lösen?
Prüfer-Storcks: Die Pflegemindestlohnkommission hat den gesetzlichen Auftrag, einen Vorschlag für Mindestlohn und Mindesturlaub in der Pflegebranche vorzulegen. Durch eine Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) wird diese Empfehlung verpflichtend für die Betriebe. Wir können also sicher nicht alle Probleme der Pflege lösen, aber doch eine untere Haltelinie bei den Arbeitsbedingungen einziehen.
DÄ: Durch den demografischen Wandel wird die Zahl der Pflegebedürftigen in den kommenden zehn Jahren weiter ansteigen, während die Zahl der Pflegenden – zumindest anteilig – weiter zurückgehen wird. Voraussichtlich wird insofern die Zahl der Pflegebedürftigen weiter steigen, die trotz eines Bedarfes nicht professionell gepflegt werden kann. Wie sollten sowohl die Politik als auch die Gesellschaft mit diesem Problem umgehen?
Prüfer-Storcks: Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, um professionelle Pflege sicherzustellen. Pflegende Angehörige müssen sicherlich noch besser unterstützt werden, aber die Gesellschaft sollte nicht darauf setzen, dass die Familien den steigenden Pflegebedarf noch mehr als bisher auffangen können.
Wir könnten aber mehr tun, um Pflegebedürftigkeit zu vermeiden oder hinauszuschieben. Prävention und Gesundheitsförderung müssen ausgebaut werden, auch, um die demografische Entwicklung zu schultern.
DÄ: Viele Pflegenden wünschen keine berufspolitische Vertretung in Pflegekammern, für die sie Pflichtbeiträge bezahlen müssen. Gleichzeitig ist eine starke berufspolitische Vertretung für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege unerlässlich. Wie könnte dieses Problem gelöst werden?
Prüfer-Storcks: Es ist sehr schwierig, eine Pflegekammer ohne Unterstützung der Berufsangehörigen einzuführen. Als Gesundheitssenatorin in Hamburg habe ich die Pflegekräfte befragt, ob sie eine Pflegekammer wollen.
Die Antwort war eindeutig negativ, also habe ich sie nicht auf den Weg gebracht. In anderen Ländern hat es Rückschläge bis hin zur Abwicklung einer schon gegründeten Pflegekammer gegeben. Wenn das Projekt Pflegekammer erfolgreich sein soll, müssten die Berufsverbände der Pflege Überzeugungsarbeit leisten.
Aber man darf die Pflegekammer auch nicht mit Erwartungen überfrachten: Sie wäre Ansprechpartnerin für die Politik, könnte zum Beispiel eine Berufsordnung erlassen und Aus- und Weiterbildungsfragen ihrer Angehörigen regeln. Sie wäre keine Gewerkschaft, die über Arbeitsbedingungen und Entlohnung verhandelt.
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