5 Fragen an...

„Ich sehe aktuell durchaus Bewegung beim Bund, was gut ist“

  • Freitag, 20. September 2024

Hamburg – Die Krankenhausreform soll in diesem „Herbst der Reformen“ mit dem parlamentarischen Verfahren im Bundestag und im Bundesrat abgeschlossen werden. Die Bundesländer hoffen dabei auf deutliche Änderun­gen der bisherigen Gesetzesvorlage und drohen ansonsten mit einem Vermittlungsausschuss. Dies will der Bund mit den Erfahrungen aus dem Verfahren zum Transparenzatlas vermeiden. Allerdings ist der Bund den Länder­forderungen in einem gerade veröffentlichen Papier nur wenig entgegen gekommen.

Im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt erklärt die Hamburger Gesundheitssenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD), welche Möglichkeiten die Reform für einen Stadtstaat bieten muss, wie sie zu einem Vermittlungsver­fahren zwischen Bund und Ländern steht sowie wie sich Hamburg auf die Krankenhausreform vorbereitet.

Hamburgs Gesundheitssenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) /Senatskanzlei Hamburg
Hamburgs Gesundheitssenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) /Senatskanzlei Hamburg

5 Fragen an Hamburgs Gesundheitssenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD)

Was ist Ihnen als Vertreterin eines Stadtstaates bei der Krankenhaus­reform wichtig?
Hamburg ist die Gesundheitsmetropole im Norden. Die Krankenhäuser unserer Stadt versorgen bis zu 30 Prozent Patientinnen und Patienten aus Nachbarbundesländern – in manchen Fachgebieten ist diese Zahl noch höher. Dies liegt insbesondere an den vorhandenen Spezialisie­rungen und der hohen Expertise unserer Krankenhäuser.

Diese Rolle wollen und sollen die Krankenhäuser auch in Zukunft spie­len. Fachkliniken, wie etwa das evangelische Krankenhaus in Alsterdorf, das sich in der inklusiven Versorgung spezialisiert hat oder überregio­nal nachgefragte Kinderkliniken waren aber bisher im Finanzierungs­system der diagnosebezogenen Fallpauschalen in Kombination mit der geplanten Vorhaltefinanzierung nicht ausreichend abgebildet.

Hier hat der Bundesgesundheitsminister auf meine Initiative hin ja bereits öffentlich Zugeständnisse gemacht. Das ist ein großer Erfolg.

Für Hamburg ist weiterhin von zentraler Bedeutung, ob Kooperationen einzelner Häuser untereinander möglich sind und die Länder hierfür ausreichend Gestaltungsspielräume bekommen. Das Hamburger Krankenhaus Jerusalem etwa hat bundesweit die meisten Brustkrebs-Eingriffe. Es ist ein hoch spezialisiertes Haus.

Nach den aktuellen Vorstellungen des Bundes müssten wir für dieses Krankenhaus Fachabteilungen anbauen, wenn wir es erhalten wollen. Das kann aber nicht die Lösung sein. Die Klinik unterhält gewachsene und gut eingespielte Kooperationsbeziehungen – sowohl zum UKE, als auch zum Agaplesion Diakonieklinikum. Solche Kooperationsmodelle müssen im KHVVG abgebildet sein.

Ein weiterer Punkt ist die Frage, wie viele Ärztinnen und Ärzte auf die Leistungsgruppen angerechnet werden können. Eine Beispiel hierfür: Für den Bereich Notfallmedizin ist aktuell vorgesehen, dass mindestens drei Fach­ärztinnen und -ärzte mit der Zusatzweiterbildung „Akut- und Notfallmedizin“ an einer Klinik angestellt sein müssen.

Die Informationen, die ich habe, sagen: Das hält keinem Praxischeck stand, denn diese Zusatzqualifikation ist schlicht nicht in dieser Häufigkeit vorhanden. Hier bräuchten wir also längere Übergangsfristen oder eine An­passung der Vorgaben.

Auch die genaue Ausgestaltung der Vorhaltefinanzierung ist ein Thema. In Hamburg versorgen wir die umliegen­den Regionen mit. Deshalb haben wir hohe Auslastungszahlen und wir gehen aktuell von einem weiteren Wachs­tum der Fallzahlen aus, da wir im Umland einen Abbau der Kapazitäten sehen. Die geplante Finanzierung mit dem Fallzahlkorridor, bei dem eine Fallzahlsteigerung von maximal 20 Prozent möglich ist, würde dies ausbremsen und Behandlungskapazitäten verringern. Hier sollte nachgesteuert werden.

Weiterhin plädiere ich dafür, den Anteil der Vorhaltefinanzierung auf mehr als 60 Prozent zu setzen, um die Kliniken noch unabhängiger von den Fallzahlen zu machen. Mein Eindruck ist jedoch, dass der Bund in der Ausgestaltung der Vorhaltefinanzierung bereits zu festgelegt ist.

Welche Forderungen der Länder müssen Ihrer Ansicht nach unbedingt berücksichtigt werden, um einen Vermittlungsausschuss zu verhindern?
Diese Abwägung habe ich für Hamburg noch nicht getroffen. Aktuell finden zahlreiche Gespräche auf allen Ebenen statt: mit dem Bundesgesundheitsministerium, mit den Bundesländern und mit den Fraktionen im Deutschen Bundestag. Es ist zu früh, hier rote Linien zu ziehen. Ich sehe aktuell durchaus Bewegung beim Bund, was sehr gut ist. Alles weitere werden die nächsten Wochen zeigen.

Der Bundesgesundheitsminister hatte vor zwei Wochen beim Besuch des Evangelischen Krankenhauses in Alsterdorf bei Ihnen in Hamburg ein Selbstkostendeckungsprinzip für bestimmte Kliniken angekündigt. Welche Kliniken müssten Ihrer Ansicht nach dazu gehören?
Ich finde den Vorschlag ausdrücklich gut und habe mich hierfür stark gemacht. Die beiden Kliniktypen (Anmer­kung der Redaktion: Kinderkliniken und Kliniken für die Versorgung von Menschen mit Behinderungen), die jetzt im Gespräch sind, können in bestimmten Bereichen ihre Mindestfallzahlen nicht halten.

Wir haben in Hamburg zwei Kinderkliniken, die nicht zu anderen Kliniken gehören. Im Sommer herrscht eine zu geringe Auslastung, aber im Winter sind die Kliniken voll. Deshalb ist die Vorhaltung extrem schwankend und wirtschaftlich nicht auskömmlich. Für solche Häuser müssen wir zu einem unbefristeten Selbstkostendeckungs­prinzip kommen. Finanzierungsmodelle hierfür muss das Bundesgesundheitsministerium vorlegen.

Einen kürzlichen Vorstoß aus Ihrem Bundesland – die gemeinsame Investitionskostenfinanzierung von Schles­wig-Holstein und Hamburg für Hamburgs Kliniken – hat Ihre Länderkollegin Kerstin von der Decken sehr schnell abgelehnt. Würde sich Hamburg denn an Investitionskosten für Kliniken in Schleswig-Holstein oder Nieder­sachsen beteiligen und ist nicht sogar eine abgestimmte Krankenhausplanung zwischen Bundesländern künftig wichtig, weil sich die Bevölkerung bei der Klinikwahl nicht an Landesgrenzen hält?
Das Thema bewegt die gesamte medizinische Landschaft. Auf der einen Seite ist es gut, wenn Patientinnen und Patienten nach Hamburg kommen. Das ist eine Wertschöpfung für die Stadt und unsere Krankenhäuser und das ist gut für den Gesundheitsstandort. Auf der anderen Seite bedeutet es, dass sich die Bundesländer, die um Hamburg herum liegen, bestimmte Ge­dan­ken nicht machen müssen. Nämlich, wie sie die Versorgung im Umland sicherstellen.

Wir haben gemeinsam mit unseren Nachbarbundesländern jetzt Gutachten in Auftrag gegeben, die genau ab­bilden sollen, wie viele Patientinnen und Patienten zu uns kommen, aber auch wie viele in Schleswig-Holstein oder Niedersachsen behandelt werden.

Dieser Datenabgleich der Patientenströme bringt uns in Hamburg jetzt nicht im nächsten Schritt sofort mehr Investitionskosten für die Krankenhäuser, aber es bringt eine Klarheit, wo Patientinnen und Patienten herkomm­en und wie die Versorgung stattfindet. In einem nächsten Schritt können wir dann thematisieren, was das für gemeinsame Finanzierungsfragen bedeutet.

Wie bereiten Sie die Krankenhausreform in Hamburg bereits jetzt vor?
Der Senat hat der Bürgerschaft eine Änderung des Hamburgischen Krankenhausgesetzes vorgelegt, die eine Planung mit Leistungsgruppen in Hamburg ermöglicht. Die Beratungen der Bürgerschaft sind noch nicht abge­schlossen.

Aktuell können wir nicht mit Leistungsgruppen planen, weil sie bisher gesetzlich nicht abgebildet sind. Noch im September wird es dazu eine Ausschussberatung geben. Dann soll die entsprechende Gesetzesanpassung noch in diesem Jahr beschlossen werden, sodass wir, wenn das KHVVG kommt, auch in Hamburg die Rechtsgrundlage haben, mit Leistungsgruppen zu planen.

Das ist der erste Schritt, damit wir zum 1. Januar 2026 einen neuen Krankenhausplan bekommen. In der nächs­ten Legislaturperiode sind dann weitere Anpassungen am Krankenhausgesetz notwendig, weil wir weitere The­men wie etwa Digitalisierung und Datenerhebung zu bearbeiten haben.

cmk/bee

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