„Langfristig könnte ein erhöhter Erdnusskonsum die Prävalenz der Erdnussallergie in Deutschland erhöhen“
Berlin – Das staatliche Institut für Allergien und Infektionskrankheiten in den USA (NIAID) empfiehlt in einer aktualisierten Leitlinie, Babys schon frühzeitig mit Erdnussprodukten zu füttern. Die Ergebnisse der Learning-Early-About-Peanut-Allergy-(LEAP-)Studie hatten gezeigt, dass so Erdnussallergien vorgebeugt werden kann. Die am Donnerstag veröffentlichte Empfehlung widerspricht einem 17 Jahre zurückliegenden Rat der Amerikanischen Akademie der Kinderärzte (AAP), nach dem Kinder erst ab drei Jahren Erdnussprodukte essen sollten.

Fünf Fragen an Kirsten Beyer von der Klinik für Pädiatrie an der Charité Berlin. Der Empfehlung zur frühzeitigen Säuglingsernährung mit Erdnussprodukten steht sie noch zurückhaltend gegenüber.
DÄ: Wie lauten die Empfehlungen zur Prävention der Erdnussallergie für gesunde Säuglinge ohne Neurodermitis?
Kirsten Beyer: Die US-amerikanische Leitlinie zur Einführung von erdnusshaltigen Nahrungsmitteln zur Prävention der Erdnussallergie umfasst drei unterschiedliche Zielgruppen. Die größte Zielgruppe sind gesunde Säuglinge ohne Neurodermitis oder Nahrungsmittelallergien. Hier wird empfohlen, zusammen mit anderer Beikost auch erdnusshaltige Nahrungsmittel in die Ernährung einzuführen, wenn es den kulturellen und familiären Gewohnheiten entspricht.
DÄ: Unterscheiden sich diese Empfehlungen von der deutschen Leitlinie?
Beyer: Nein, dies entspricht der deutschen S3-Leitlinie zur Allergieprävention, die sagt, dass es für einen präventiven Effekt einer diätetischen Restriktion durch Meidung potenter Nahrungsmittelallergene im ersten Lebensjahr keine Belege gibt.
Allerdings entspricht die frühzeitige Einführung von Erdnussprodukten nicht unseren kulturellen Gewohnheiten, und langfristig könnte ein erhöhter Erdnusskonsum die Prävalenz der Erdnussallergie in Deutschland erhöhen, da es eine positive Korrelation zwischen dem Erdnusskonsum im Haushalt und dem Auftreten von Erdnussallergien gibt.
DÄ: Wie lauten die Empfehlungen zur Prävention der Erdnussallergie für gesunde Säuglinge mit schwerer Neurodermitis und/oder Hühnereiallergie?
Beyer: Das ist eine weitere von insgesamt drei Zielgruppen, die die amerikanische Leitlinie erfasst: Säuglinge mit schwerer Neurodermitis und/oder Hühnereiallergie, die ein hohes Risiko haben, eine Erdnussallergie zu entwickeln. Dabei handelt es sich auch um die Hochrisikogruppe, die in der LEAP-Studie untersucht wurde. Hier wird empfohlen, im Alter von vier bis sechs Lebensmonaten einen Allergietest zu machen. Sollten die Säuglinge noch nicht sensibilisiert sein, empfehlen die amerikanischen Kollegen, Erdnussprodukte frühzeitig und regelmäßig in die Ernährung des Säuglings einzuführen, wobei die erste Gabe gegebenenfalls unter ärztlicher Aufsicht erfolgen sollte. Säuglinge, die bereits sensibilisiert sind, sollten einem Allergologen überwiesen werden.
Dass Säuglinge mit Neurodermitis, die bereits sensibilisiert sind, einem Allergologen überwiesen werden, ist auch in Deutschland üblich. Bei diesen Säuglingen müsste vor der Einführung von Erdnussprodukten, abhängig vom Testergebnis, erst eine orale Nahrungsmittelprovokation durchgeführt werden.
DÄ: Wie lauten die Empfehlungen für Säuglinge mit leichter bis mittelschwerer Neurodermitis?
Beyer: Die Amerikanische Leitlinie empfiehlt, diesen Säuglingen um den 6. Lebensmonat herum erdnusshaltige Nahrungsmittel zu geben, wenn es den kulturellen und familiären Gewohnheiten entspricht. Da Säuglinge mit Neurodermitis ein höheres Risiko haben als Kinder mit gesunder Haut, wird von den amerikanischen Kollegen empfohlen, die erste Gabe aus Sicherheitsgründen in der Arztpraxis durchführen zu lassen.
DÄ: In Deutschland ist die Prävalenz der Erdnussallergie niedriger und zudem werden erdnusshaltige Produkte seltener konsumiert. Würden Sie unter diesen Umständen deutschen Eltern und Ärzten raten, die Empfehlungen der Amerikaner zu übernehmen?
Beyer: Ob diese Empfehlungen für Kinder mit Neurodermitis auch für andere Länder, in denen die Prävalenz der Erdnussallergie viel niedriger ist als in England oder den USA, übernommen werden soll, wird zurzeit intensiv diskutiert. Präventionsempfehlungen auf der Basis einer einzigen Studie zu ändern, birgt immer ein Risiko, insbesondere wenn die kulturellen Essgewohnheiten unterschiedlich sind. Weitere Untersuchungen, unter anderem in Deutschland, sind daher empfehlenswert.
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