„Mehr Psychotherapeuten müssen für die Versorgung zugelassen werden“
Berlin – Am 24. September ist Bundestagswahl. Das Deutsche Ärzteblatt hat die gesundheitspolitischen Sprecher der Parteien, Länderminister, Verbände und Ärzte aus der Patientenversorgung befragt, wie es mit der Gesundheitspolitik in der kommenden Legislatur weitergehen sollte.

Fünf Fragen an Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer
DÄ: Welches gesundheitspolitische Thema muss in der nächsten Legislaturperiode als erstes angegangen werden? Warum?
Dietrich Munz: Mit der Einführung einer psychotherapeutischen Sprechstunde hat die große Koalition die Weichen für eine bessere Versorgung psychisch kranker Menschen gestellt. Damit diese Verbesserung allerdings die Patienten auch wirklich erreicht, müssen mehr Psychotherapeuten für die Versorgung zugelassen werden. Der Gesetzgeber hatte diese Notwendigkeit bereits gesehen und den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) insbesondere mit einer Reform der psychotherapeutischen Bedarfsplanung beauftragt. Der G-BA hat die dafür gesetzten Fristen nicht eingehalten.
Die gemeinsame Selbstverwaltung scheitert seit fast 20 Jahren daran, für psychisch kranke Menschen eine ausreichende ambulante psychotherapeutische Versorgung sicherzustellen. Gleich zu Beginn der nächsten Legislaturperiode sollte es deshalb gesetzliche Vorgaben geben, die präzise beschreiben, was der G-BA bis wann zu entscheiden hat.
DÄ: Welche Partei beziehungsweise welches Parteienbündnis bietet aus Ihrer Sicht die besten Lösungen für die zukünftigen Probleme des Gesundheitssystems? Warum?
Munz: Die Versorgung psychisch kranker Menschen ist kein Thema, das sich für den Wahlkampf eignet. Deshalb finden sich in den Wahlprogrammen der Parteien so gut wie keine Aussagen zu diesem Bereich. Allerdings zweifelt auch keine Partei daran, dass die Finanzierung einer angemessenen Versorgung psychisch kranker Menschen zu den Aufgaben einer gesetzlichen Krankenversicherung gehört und hier noch viel zu tun bleibt. Sorgen bereitet uns, dass die AfD Fremdenfeindlichkeit und Ressentiments gegen Andersartigkeit schürt. Darunter hatten historisch auch immer psychisch kranke Menschen zu leiden.
DÄ: Welche aktuellen Positionen der Parteien gefährden die Versorgungsqualität im deutschen Gesundheitssystem?
Munz: Wir fordern, dass alle Menschen mit psychischen Erkrankungen unabhängig vom Versicherungsstatus gleich gute Behandlungsmöglichkeiten erhalten.
DÄ: Wie müssen die Rahmenbedingungen psychotherapeutischer Tätigkeit verbessert werden?
Munz: Dank des neuen Entgeltsystems für Psychiatrie und Psychosomatik und den neuen Personalanforderungen wird die stationäre Versorgung psychisch kranker Menschen künftig stärker leitlinienorientiert sein können. Das bedeutet konkret: Patienten soll in Kliniken mehr Psychotherapie angeboten werden. Deshalb müssen Psychotherapeuten auch Leitungsfunktionen in den Kliniken übernehmen können. Psychotherapeuten verfügen über die entsprechenden Qualifikationen und Kompetenzen, aber unklare gesetzliche Regelungen verhindern bisher ihre adäquate Berücksichtigung in der Personalstruktur der Krankenhäuser.
Im ambulanten Bereich ist die Honorierung von Psychotherapeuten im Vergleich mit Ärzten weiterhin miserabel. Deshalb bedarf es eindeutiger gesetzlicher Vorgaben, damit diese Einkommensunterschiede beendet werden. Eine angemessene Vergütung kann nur durch eine Weiterentwicklung des EBM erreicht werden.
DÄ: Was wollen Sie für Ihre Mitglieder in der kommenden Legislaturperiode erreichen?
Munz: Für unseren Nachwuchs brauchen wir dringend eine Reform der psychotherapeutischen Ausbildung. Der Reformbedarf ergibt sich aus den unzureichenden Zugangsregelungen zur Ausbildung und vor allem der prekären finanziellen und rechtlichen Situation der Ausbildungsteilnehmer. Außerdem hat sich das Berufsbild der Psychotherapeuten in den letzten Jahren dynamisch entwickelt und wird dies auch in Zukunft weiter tun. Wir wollen unseren Nachwuchs durch ein Approbationsstudium und eine sich anschließende Weiterbildung noch besser qualifizieren.
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