Patientenverfügung und Organspendeerklärung müssen sich nicht ausschließen
Köln – Nach dem Transplantationsgesetz ist eine postmortale Organspende nur dann zulässig, wenn bei dem Spender der Hirntod festgestellt ist und der Patient oder subsidiär seine Angehörigen die Einwilligung zur Organspende erklärt haben. Wenn sich der Patient gleichzeitig gegen lebenserhaltende Maßnahmen ausgesprochen hat, scheint dies der für die Organentnahme notwendigen Hirntoddiagnostik entgegenzustehen. Ein von einem Expertenkreis aus Medizinern, Juristen und Ethikern erstelltes Arbeitspapier der Bundesärztekammer gibt Ärzten Orientierung, wie sie mit diesen Konfliktsituationen umgehen können. Einer der Verfasser dieses Arbeitspapieres erläutert den Text.

5 Fragen zum „Arbeitspapier zum Verhältnis von Patientenverfügung und Organspendeerklärung“ an Alfred Simon, Geschäftsführer der Akademie für Ethik in der Medizin
DÄ: Herr Simon, sehen Sie darin einen Widerspruch, wenn Menschen in einer Patientenverfügung lebensverlängernde Maßnahmen ausschließen und gleichzeitig ihre Organspendebereitschaft dokumentieren?
Simon: Die Patientenverfügung kann dazu führen, dass intensivmedizinische Maßnahmen eingestellt werden und der Patient verstirbt, bevor der Hirntod festgestellt werden konnte. Eine Organspende wäre dann bei diesem Patienten nicht möglich. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich der Wunsch nach Therapiebegrenzung und die Bereitschaft zur Organspende grundsätzlich ausschließen.
DÄ: Wann halten Sie die Fortführung von intensivmedizinischen Maßnahmen bei einem vermuteten Hirntod für gerechtfertigt?
Simon: Zum Beispiel dann, wenn Sie der Ermöglichung einer vom Patienten gewünschten Organspende dient. In diesem Fall steht die Fortsetzung der Intensivtherapie auch nicht im Widerspruch zu dem in einer Patientenverfügung geäußerten Wunsch nach Therapiebegrenzung, da sie das Sterben nur um einen sehr kurzen Zeitraum verlängert, und sich der Patient mit seiner Bereitschaft zur Organspende implizit mit den für die Organentnahme notwendigen Maßnahmen einverstanden erklärt hat.
DÄ: Inwiefern sollten Muster für Patientenverfügungen und Organspendeausweise ergänzt und präzisiert werden?
Simon: Die bestehenden Muster sollten um Textbausteine erweitert werden, mit deren Hilfe sich der Patient dazu äußern kann, ob er der zeitlich begrenzten Fortführung intensivmedizinischer Maßnahmen für den Fall zustimmt, dass bei ihm eine Organspende medizinisch infrage kommt, oder nicht.
DÄ: Wie sollte vorgegangen werden, wenn weder eine Organspendeerklärung noch eine Patientenverfügung vorliegt?
Simon: In diesem Fall muss die Frage, ob der Patient einer Organspende und den dafür notwendigen Maßnahmen zugestimmt hätte, mit dem nächsten Angehörigen beziehungsweise dem Patientenvertreter geklärt werden. Das Gespräch dazu sollte bereits dann erfolgen, wenn der Eintritt des Hirntodes wahrscheinlich ist.
DÄ: Wie sollte mit möglichen Konfliktsituationen umgegangen werden?
Simon: Zu Konflikten kann es insbesondere dann kommen, wenn nächster Angehöriger und Patientenvertreter verschiedene Personen sind, und diese mit Blick auf den mutmaßlichen Patientenwillen unterschiedliche Auffassungen vertreten. In diesen Situationen kann die Durchführung einer ethischen Fallbesprechung angezeigt sein. Führt auch diese zu keinem Ergebnis, muss das Betreuungsgericht entscheiden
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