Vertragsärzte können nicht wegen Bestechlichkeit belangt werden
Köln – Vertragsärztinnen und –ärzte machen sich nicht wegen Bestechlichkeit strafbar, wenn sie von einem Pharmaunternehmen Vorteile als Gegenleistung für die Verordnung von Arzneimitteln entgegennehmen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) am 22. Juni entschieden.
Der Straftatbestand der Bestechlichkeit wäre nur dann erfüllt, wenn es sich beim niedergelassenen Vertragsarzt um einen Amtsträger oder einen Beauftragten der gesetzlichen Krankenkassen handelte. Das hat der BGH verneint und klargestellt, dass Ärzte in erster Linie dem Patientenwohl verpflichtet sind und nicht den Kassen. Freiberuflich tätige Kassenärzte seien weder Angestellte noch Funktionsträger einer öffentlichen Behörde, erklärten die Karlsruher Richter.
Der Vertragsarzt sei zwar in das System öffentlich gelenkter Daseinsfürsorge eingebunden. Das verleihe der vertragsärztlichen Tätigkeit aber nicht „den Charakter hoheitlich gesteuerter Verwaltungsausübung“. Da Krankenkassen und Vertragsärzte darüber hinaus auf einer „Ebene der Gleichordnung“ zusammenwirkten, könnten die Ärzte auch nicht als Beauftragte der Kassen gelten.
Im vorliegenden Fall war eine Pharmareferentin wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Sie hatte Vertragsärzten Schecks übergeben als Prämie für die Verordnung von Arzneimitteln des betreffenden Unternehmens.

5 Fragen an Oliver Pramann, Fachanwalt für Medizinrecht in Hannover
DÄ: Herr Pramann, was bedeutet das BGH-Urteil für die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte?
Pramann: Das Urteil stärkt die Freiberuflichkeit, indem der BGH das Arzt-Patient-Verhältnis und die Eigenständigkeit der Vertragsärzte gegenüber den Krankenkassen in den Vordergrund gerückt hat. Das ist eine Besonderheit, die wichtig ist für die Zukunft.
Interessant ist an dem Urteil, dass die Richter gesagt haben, es sei Aufgabe des Gesetzgebers, darüber zu befinden, ob die Korruption im Gesundheitswesen strafwürdig ist und durch Schaffung entsprechender Straftatbestände eine effektive strafrechtliche Ahndung ermöglicht werden soll. Das heißt, es kann durchaus sein, dass jetzt neue Straftatbestände geschaffen werden.
DÄ: Muss denn hier eine Gesetzeslücke geschlossen werden?
Pramann: Meiner Ansicht nach nicht. Denn die Zusammenarbeit von Leistungserbringern und Vertragsärzten reglementiert § 128 SGB V und die Berufsordnung der jeweiligen Landesärztekammer. Danach sind Kooperationen verboten, bei denen ungerechtfertigte Vorteile in Aussicht gestellt werden, beispielsweise wenn sich Vertragsärzte für die Verordnung von Arzneimitteln bezahlen lassen.
DÄ: Um noch einmal kurz auf die Freiberuflichkeit zurückzukommen, die durch das Urteil gestärkt wird: Was ist denn rechtlich gesehen das Wesentliche an einem freien Beruf?
Pramann: Die Freiberuflichkeit ist insbesondere die fachliche Weisungsunabhängigkeit. Bei den Ärzten ist das die Weisungsunabhängigkeit, was die Behandlung angeht. Das Wesen der Freiberuflichkeit ist das besondere Vertrauen der Patienten. Man ist Sachwalter seines Patienten und eben nicht der Krankenkassen. Das ist wichtig. Hier ist das Urteil eindeutig.
DÄ: Muss der Gesetzgeber jetzt tätig werden, um Kassen- und Krankenhausärzte strafrechtlich gleichzustellen, wie das beispielsweise die Krankenkassen fordern?
Pramann: Der Beschluss des Bundesgerichtshofs bezieht sich in der Tat nur auf niedergelassene Ärzte, nicht auf angestellte Krankenhausärzte. Damit werden beide Gruppen unterschiedlich behandelt.
Die angestellten Krankenhausärzte unterscheiden sich von den niedergelassenen Ärzten, weil sie beim Krankenhausträger abhängig beschäftigt sind. Der niedergelassene Arzt ist im Gegensatz zu den angestellten Ärzten in freier Praxis niedergelassen und damit auch als freier Unternehmer anzusehen. Dass dieser nicht Amtsträger oder Beauftragter der Krankenkassen ist, hat der Bundesgerichtshof ja mit seinem Urteil bestätigt.
Wie andere Betriebsinhaber auch, macht sich der niedergelassene Arzt nicht wegen Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr strafbar, wenn er Vorteile annimmt. Die entsprechende Vorschrift des § 299 StGB bezieht sich nicht allein auf das Gesundheitswesen, sondern gilt für alle Betriebe und Unternehmen. Auf dieser Ebene findet der Vergleich statt: Der niedergelassene Arzt darf gegenüber anderen Betriebsinhabern im Sinne des § 299 Strafgesetzbuch nicht schlechter gestellt werden.
Allerdings halte ich die geltende Rechtslage für ausreichend, um gegen Korruption im Gesundheitswesen vorzugehen – siehe die Regelung im SGB V.
DÄ: Auch die ärztliche Berufsordnung verbietet es Ärzten, für Verschreibungen oder Zuweisungen Geld oder andere Vergünstigungen anzunehmen. Sehen Sie hier Nachbesserungsbedarf?
Pramann: Nein. Denn die berufsrechtlichen Regelungen sind eindeutig. Verschreibungen und Zuweisungen gegen Entgelt sind in jedem Fall untersagt. Da können Ärztekammern und Kassenärztliche Vereinigungen auch entsprechende Sanktionen verhängen. Neben Rügen und Verweisen können das durchaus empfindliche Geldbußen sein. Natürlich sind das nicht solche Strafen, wie sie das Strafgesetzbuch – auch in Form von Freiheitsstrafen – vorsieht. Aber es kann Druck ausgeübt werden.
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