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„Wenn wir gut sind, dann würden wir es schaffen, die Krankenkassenbeiträge zu senken“

  • Donnerstag, 12. Juni 2025

Berlin – In den nächsten Jahren müssen die Beiträge für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) stabilisiert und vielleicht sogar gesenkt werden. Zudem braucht es mehr Ambulantisierung und einen Steuerungsmechanismus in der Primärversorgung. Das erklärte die neue gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Simone Borchardt (CDU), im Interview mit dem Deutschen Ärzteblatt.

Die gelernte Krankenkassenbetriebswirtin und Gesundheitsökonomin setzt bei künftigen Reformen auf die Erfahrungen von Praktikerinnen und Praktikern, es dürften nicht nur wissenschaftliche Erkenntnisse einfließen. Wichtig sei Borchardt zufolge zudem der Fokus auf mehr Prävention. Im Gespräch verriet sie zudem, wie sie zu politischen Maßnahmen, wie etwa einer Zuckersteuer steht.

Borchardt ist seit 2021 Bundestagsabgeordnete. Die 57-Jährige folgte in ihrem Amt auf Tino Sorge (CDU), der nun parlamentarischer Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium (BMG) ist. Borchardt hatte vor ihrem Mandat im Bundestag lange in verschiedenen Positionen bei der Barmer gearbeitet und lebt in Nordwestmecklenburg.

Simone Borchardt (CDU), gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag /Simone Borchardt
Simone Borchardt (CDU), gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag /Simone Borchardt

5 Fragen an Simone Borchardt, gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion

Wie haben Sie sich in der neuen Position als gesundheitspolitische Sprecherin der Union eingerichtet?
Ich bin sehr dankbar, dass ich jetzt zeigen kann, was ich kann. Ich bin Gesundheitsökonomin und Krankenkassenbetriebswirtin und bringe 33 Jahre Berufserfahrung mit. Ich freue mich wirklich sehr, dass ich das Thema Gesundheit für die CDU/CSU-Fraktion platzieren darf. Die vergangenen dreieinhalb Jahre habe ich bereits Gesundheitspolitik gemacht und freue mich, dass ich jetzt die PS auf die Straße bringen kann. Bei vielen Themen habe ich oft die Lösung im Blick, denke aber, es geht noch besser. Deshalb ist es mir jetzt wichtig, dass wir das System an den richtigen Stellen anpacken.

Was ist das erste gesundheitspolitische Vorhaben, dass das Bundesgesundheitsministerium mit Unterstützung aus dem Parlament umsetzen muss?
Die Stabilisierung der GKV-Finanzen ist ein Riesenthema, bei dem Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) jetzt auch mit Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) im Gespräch ist. Ziel ist, dass die Versicherungsbeiträge bis zum Ende des Jahres nicht mehr steigen. Sie hat bereits 800 Millionen Euro als Zuweisung gegeben, und nun müssen wir die Situation bis Ende des Jahres stabilisieren.

Es ist zudem im Gespräch, dass die geplante Kommission, die Vorschläge zu einer nachhaltigen Finanzierung vorlegen soll, sich früher als geplant aufgestellt und Ergebnisse vorlegt, als es im Koalitionsvertrag festgehalten ist. Es sortiert sich gerade, wer Teil dieser Kommission wird. Dazu gehören Experten, aber auch Berufspraktiker. Ich halte es für wichtig, dass es eine gute Mischung wird und nicht nur wissenschaftliche Erkenntnisse einfließen. Jede Veränderung, die wir machen, muss ja auch in der Praxis umgesetzt werden.

Auch müssen wir das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz nochmal aufmachen und nachjustieren. Es ist wichtig, dass die Reform in der vergangenen Legislatur angegangen worden ist. Aber jetzt müssen wir noch mal ein bisschen nacharbeiten. Wir müssen den Krankenhäusern unter die Arme greifen, die wir für eine gute und vernünftige Struktur brauchen. Wir sind dazu gerade im Gespräch, welche Kriterien festgelegt werden, wann ein Krankenhaus diese finanzielle Unterstützung bekommt und wann nicht. Wir wollen dabei kein Gießkannenprinzip. Das wird relativ zügig angegangen werden.

Welche eigenen Schwerpunkte wollen Sie in den nächsten Jahren setzen?
Eine große Stellschraube ist für mich die sektorenübergreifende Versorgung. Beim Thema Ambulantisierung gibt es sehr große Ressourcen, die man heben kann. Denn wir machen unheimlich viel stationär, was in anderen Ländern schon ambulant gemacht wird. Seit Jahren sprechen wir von Ambulantisierung, aber es passiert nichts.

Mehr Ambulantisierung würde dazu führen, dass wir die Versorgungsqualität verbessern und es den Menschen besser geht, sie möglicherweise auch eher nach Hause können. Und man kann die Ressourcen tagsüber in den Kliniken einsetzen, wenn man weiß, da sind die wirklich Kranken. Das würde das System auch finanziell entlasten.

Zweitens braucht es ein besseres Case Management, also Steuerungsmechanismen im System. Bei uns macht jeder, was er will, mit wem er will, so oft er will, weil wir keine Steuerungsmechanismen haben. Der Patient geht erst zu einem Hausarzt und dann zu einem anderen, weil er dem ersten nicht glaubt. Zudem könnten Hausärzte dadurch steuern, welcher Facharzt bei welcher Beschwerde der richtige ist.

Es braucht dabei Sonderregelungen etwa für die Gynäkologie oder schwerstkranke Menschen, die ihren Onkologen auch ohne vorherigen Besuch beim Hausarzt aufsuchen können. Auch Disease-Management-Programme müssen erhalten bleiben. Mit dieser Steuerung könnten wir Ressourcen sinnvoller einsetzen auch angesichts des demografischen Wandels und eine bessere Versorgungsqualität sicherstellen. Hier wollen wir uns im Zuge der Gesetzgebung mit den Praktikern zusammensetzen, um die feinen Stellschrauben zu bedienen. Bis Ende des Jahres wird das auf jeden Fall Thema werden.

Drittens ist mir Prävention sehr wichtig. Wir müssen die Gesundheitskompetenz der Menschen erhöhen und das Thema Gesundheit in Kitas und Schulen tragen, damit die Menschen gesund altern. So wie die Präventionsgelder jetzt angelegt sind, sind sie für mich nicht richtig angelegt. Wir haben dadurch keinen Diabetiker, keine Herz-Kreislauf-Erkrankung weniger. Da muss für mich ein Umdenken erfolgen und mehr in Prävention investiert werden, auch in den Kommunen.

Wir müssen zudem weitere Handlungsansätze finden, beispielsweise eine Zuckersteuer oder Süßigkeiten im Kassenbereich in Supermärkten untersagen. Andere Länder sind da schon viel weiter und da können wir auch nicht die Augen vor verschließen. Wir wollen zwar niemandem den Zucker verbieten, aber besser auf die Inhaltsstoffe achten.

Auch beim Thema Alkohol und Nikotin müssen wir ran, weil uns der Konsum sehr viel Kosten bei den Folgeerkrankungen verursacht. Manchmal braucht es den Druck der Politik, um überhaupt Handlung zu erzeugen. Eigentlich bräuchten wir eine Agenda 2040 oder 2050, um jetzt in Gesundheit, Prävention und Gesundheitskompetenz zu investieren und damit in den nächsten Generationen keine kranken, älteren Menschen zu erziehen.

Wo liegen aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen im Gesundheitswesen?
Eine riesige Herausforderung ist die Digitalisierung. Wir haben jetzt die elektronische Patientenakte (ePA) und die ist auch toll, trotzdem haben wir relativ lange dafür gebraucht. Zielführend finde ich nicht, dass Patientinnen und Patienten alle Informationen, Blutwerte oder Diagnosen aus der ePA wieder raus löschen können.

Das hilft uns nicht, wenn es darum geht Doppeluntersuchungen zu vermeiden oder Krankheitsverläufe komplett überblicken zu können. Der Weg einer patientengeführten ePA ist zwar der richtige, aber für mich braucht es hier noch Nachbesserungen. In dem Moment, wo alle Daten einfließen und diese auch von einer Krankenkasse ausgewertet werden können, können etwa gezielte Präventionsangebote gemacht werden. Da müssen wir hin

Was wollen Sie erreichen, damit es eine erfolgreiche Legislaturperiode wird?
Ein Anliegen ist es mir, die Finanzen stabilisiert zu haben. Wenn wir gut sind, dann würden wir es sogar schaffen, die Krankenkassenbeiträge zu senken. Zudem gehört die Einführung von Steuerungsmechanismen im System dazu sowie die Ambulantisierung in einem richtigen Maße. Jeder Patient soll auch die Leistung bekommen, die er benötigt. Insgesamt wollen wir eine Verbesserung der Versorgungsqualität erreichen.

bee/cmk

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