Ausland

Ärzte verurteilen Einsatz von Chemiewaffen in Syrien

  • Mittwoch, 5. April 2017
Uploaded: 05.04.2017 15:30:09 by maybaum
/dpa

Berlin – Politiker und Ärzte haben den Besitz und den Einsatz von Chemiewaffen scharf verurteilt. Hintergrund sind Berichte aus Idlib in Nordsyrien, wo nach Presseberichten be­reits 70 Menschen an den möglichen Folgen einer Giftgasfreisetzung gestorben sind und weitere 100 behandelt werden. Die Provinz Idlib wird zu großen Teilen von einem Rebell­en­­­bündnis kontrolliert, das vom ehemaligen Al-Kaida-Ableger Al-Nusra-Front angeführt wird. Die Gruppe trägt mittlerweile den Namen Fateh al-Scham.

„Es ist nach wie vor unklar, ob das Giftgas von syrischen Streitkräften absichtlich einge­setzt wurde oder es – wie Russland erklärt – versehentlich durch einen Angriff auf ein Mu­nitionsdepot der Rebellen freigesetzt wurde, in dem angeblich Chemiewaffen gela­gert seien“, erklärte die Organisation „Internationale Ärzte für die Verhütung des Atom­krie­ges/Ärzte in sozialer Verantwortung“ (IPPNW). Bislang sei auch unklar, um welchen Kampf­stoff es sich handele. Nach den beschriebenen Symptomen könnte es sich laut IPPNW um ein Nervengift wie Sarin oder Tabun handeln.

Sarin in Verdacht

Das berichtet auch die Weltgesundheitsorganisation WHO: Das augenscheinliche Feh­len äußerer Verletzungen und andere Anzeichen deuteten auf Nervengift hin, teilte die Organisation heute in Genf mit. „Diese Form von Waffen ist durch internationales Recht verboten, weil sie untolerierbare Barbarei darstellt“, sagte der Leiter des WHO-Nothilfe­programms, Peter Salama. Die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) erklärte, dass sie momentan alle Informationen sammle und analysiere, bevor sie eine klare Aussage machen könne.

Die Symptome der syrischen Bomben-Opfer lassen auch nach Angaben von Ärzte ohne Grenzen (MSF) auf einen Chemiewaffen-Einsatz schließen. Die Berichte der Experten aus dem Land würden nahelegen, dass die Zivilisten mindestens zwei verschiedenen Arten von Nervengas ausgesetzt gewesen seien, teilte die Organisation heute in Genf mit. Bei dem jüngsten Angriff sei demnach vermutlich ein Wirkstoff wie das Nervengas Sarin sowie Chlor eingesetzt worden.

Ein MSF-Team unterstütze aktuell Mitarbeiter eines Krankenhauses rund 100 Kilometer von der türkischen Grenze entfernt, in das Opfer aus der syrischen Rebellen-Stadt Chan Scheichun gebracht worden seien. Acht Patienten hätten dort verengte Pupillen, Muskel­krämpfe und plötzliche Darmentleerungen gehabt. In einem anderen Spital konnte Bleich­mittel an den Verletzten gerochen werden, was auf einen Chlor-Einsatz hinweise.

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel hat unterdessen Russland aufgefordert, der ge­planten UN-Resolution zum mutmaßlichen Giftgasangriff in Syrien zuzustimmen. „Wir ap­pellieren an Russland, dieser Resolution zuzustimmen, den Fall zu untersuchen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen“, sagte Gabriel heute zum Auftakt einer in­ternationalen Konferenz zum Syrienkonflikt in Brüssel. Mit der von den USA, Frankreich und Großbritannien eingebrachten Resolution soll das syrische Regime aufgefordert wer­den, Informationen zur Aufklärung des mutmaßlichen Giftgaseinsatzes von gestern zu liefern.

Gabriel kündigte auf der Konferenz an, Deutschland werde weitere 1,169 Milliarden Euro für die Opfer des syrischen Bürgerkriegs zur Verfügung stellen. Das Geld solle zusätzlich zu den 2,3 Milliarden Euro fließen, die bis Ende 2018 bei der Geberkonferenz in London zugesagt worden waren. Solange es keinen Regimewechsel in Syrien gebe, dürfe es aller­dings nicht für den Wiederaufbau des Bürgerkriegslandes eingesetzt werden, beton­te Gabriel in Brüssel.

Im Syrienkonflikt haben sowohl die Regierung als auch die Dschihadistenmiliz Islami­scher Staat (IS) bereits Giftgas eingesetzt, wie eine Untersuchungskommission der UNO in ei­nem Bericht festhielt. Sanktionen gegen Damaskus wegen des Einsatzes von Gift­gas scheiterten Ende Februar im UN-Sicherheitsrat am Veto Russlands und Chinas. Ein­satz, Entwicklung, Herstellung, Lagerung und Transfer von Chemiewaffen sind unter einer UN-Konvention von 1997 verboten. Jeder chemische Stoff, der für Waffenzwecke ver­wen­det wird, wird laut Konvention als Chemiewaffe bezeichnet.

hil/dpa

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