Ausland

Antimikrobielle Resistenzen sind ein globales Thema

  • Mittwoch, 16. Oktober 2024
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Berlin – Die Resistenz von Erregern gegenüber antimikrobiellen Substanzen ist ein zunehmendes und besorg­niserregendes Phänomen – eine globale Herausforderung, wie auf einer Veranstaltung des World Health Sum­mit (WHS) gesagt wurde. Bereits Ende September hatte die Vollversammlung der Vereinten Nationen (UN) eine Erklärung verabschiedet, antimikrobielle Resistenzen (AMR) bekämpfen zu wollen.

AMR sind ein zunehmendes und besorgniserregendes Phänomen – eine globale Herausforderung, erklärte Latifat Okara, Economist Impact, USA auf der WHS-Veranstaltung, die sie moderierte. „Wir haben versucht, mit erschreckenden Statistiken und überzeugenden wirtschaftlichen Argumenten auf die Bedeutung von AMR auf­merksam zu machen.“

So seien mehr als eine Million Todesfälle weltweit auf AMR zurückzuführen, führte Okara aus. Aktuelle Schät­zungen der Weltbank zeigten, dass AMR zu zusätzlichen Gesundheitskosten in Höhe von einer Billion US-Dollar bis 2050 führen könnten. Zudem gingen den Bruttoinlandsprodukten womöglich ein bis drei Billionen US-Dollar verloren.

„Nach der Tagung der UN-Generalversammlung zum Thema AMR vor einigen Wochen in New York haben wir jedoch Grund für die Zuversicht, dass der Kampf gegen AMR in die richtige Richtung geht“, so Okara. Damit sei ein Meilenstein erreicht worden.

Konkrete Interventionen auf globaler Ebene

Auf der UN-Vollversammlung hatten führende Politikerinnen und Politiker der Mitgliedsstaaten die Erklärung, gegen AMR vorzugehen, angenommen. In ihr wurden klare Ziele und Maßnahmen formuliert, wie es in einer Mitteilung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) heißt. Dazu gehört etwa, die jährlich geschätzt 4,95 Millionen AMR-bedingten Todesfälle weltweit um zehn Prozent bis 2030 zu reduzieren.

Zudem werden eine nachhaltige nationale Finanzierung und eine Anschubfinanzierung in Höhe von 100 Millionen US-Dollar gefordert, um das Ziel zu erreichen, dass 60 Prozent der Länder bis 2030 einen nationalen Aktionsplan erstellt haben. Darüber hinaus sollen 70 Prozent der für die menschliche Gesundheit weltweit eingesetzten Antibiotika Substanzen aus der WHO Access Group sein – mit relativ wenigen Nebenwirkungen und einem geringeren Potenzial, Resistenzen zu verursachen.

Weiterhin streben die UN-Mitgliedsstaaten unter anderem an, dass jedes Land über eine Grundversorgung mit Wasser, sanitären Anlagen, Hygiene und Abfallentsorgung in allen Gesundheitseinrichtungen verfügt und 90 Prozent bis 2030 alle Mindestanforderungen der WHO für Programme zur Infektionsprävention und -kontrolle erfüllen. Zudem sollen Investitionen den gerechten Zugang zu und die angemessene Verwendung von anti­mikrobiellen Mitteln erleichtern.

Im Bereich Landwirtschaft und Tiergesundheit gilt es bis 2030, die Menge der weltweit verwendeten antimi­krobiellen Substanzen deutlich zu reduzieren. Das soll etwa mittels eines umsichtigen, verantwortungsvollen und evidenzbasierten Einsatzes von antimikrobiellen Mitteln in der Tiergesundheit geschehen. Auch die Einleitung antimikrobieller Substanzen in die Umwelt soll verhindert werden.

One-Health-Ansatz ist entscheidend

Die AMR sind ein komplexes Problem, das sektorübergreifende Interventionen, die spezifische Maßnahmen für Mensch, Landwirtschaft, Tier und Umwelt kombinieren, erfordern, heißt es in der UN-Erklärung. Der globale Kampf gegen AMR soll von den Organisationen der Quadripartite beziehungsweise deren gemeinsamem Sekre­tariat für AMR koordiniert werden. Dazu zählen neben der WHO die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisa­tion der UN (FAO), das Umweltprogramm der UN (UNEP) und die Weltorganisation für Tiergesundheit (WOAH).

Ziel ist eine starke multisektorale Reaktion im Sinne des One-Health-Ansatzes. Demnach besteht zwischen der Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanzen sowie der weiteren Umwelt ein enger Zusammenhang. Dafür sollen die Quadripartite-Organisationen 2025 ein unabhängiges Gremium einrichten, das Maßnahmen gegen AMR entwickelt und die Länder in ihrem Kampf gegen AMR unterstützt.

Sally Davies, Sonderbeauftragte für AMR im Vereinigten Königreich, sagte auf der WHS-Veranstaltung, dass sie hinsichtlich der AMR-Bekämpfung gewisse Hoffnungen hege: „Ich bin so zuversichtlich wie seit vielen Jahren nicht mehr.“ Die multilaterale Zusammenarbeit habe dazu beigetragen, dass ein wirklich starkes Dokument entstanden sei.

Es berücksichtige zum Beispiel, wie stark die Länder mit niedrigem oder mittlerem Einkommen betroffen seien, die Rolle von Konflikten für die zunehmende Belastung und den Handlungsbedarf. Das bestätigte auch Catha­rina Boehme, stellvertretende Generaldirektorin der Abteilung External Relations and Governance der WHO. Sie betonte die Bedeutung der Erklärung und den Erfolg des Multilateralismus.

Es gibt noch viel zu tun

Das Mandat für das unabhängige Gremium sei sehr wichtig, so Davies weiter. Aber es dürfe nicht in die Politik der einzelnen Mitgliedsstaaten eingreifen. Sie forderte weiterhin, dass das Gremium im Globalen Süden sitzen, den Globalen Süden einbeziehen, wissenschaftlich unabhängig sein und den One-Health-Ansatz verfolgen solle. Dem stimmte Boehme zu. Sie ergänzte als wichtige Punkte noch die Neutralität und die Diversität. „Das unabhängige Gremium kann und wird einen Unterschied machen.“

Bislang sei hinsichtlich des Kampfes gegen AMR noch nicht viel passiert sei, obwohl die WHO häufig darauf aufmerksam gemacht habe, führte Boehme aus. So hätten nur elf Prozent der Länder mit einem Aktionsplan auch ein Budget, um entsprechende Maßnahmen umsetzen zu können. „Meines Erachtens kann die Dringlichkeit dieser Bedrohung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, und doch wird sie oft nicht erkannt.“

Die Finanzierung sei immer eine große Herausforderung in Bezug auf die globale Gesundheit, sagte Muna Abu Sin, die beim Bundesministerium für Gesundheit für die AMR zuständig ist. Deutschland begrüße eine breitere Basis an finanzieller Unterstützung für den AMR-Multipartner-Treuhandfonds. Aber „weder der AMR- Multipart­ner-Treuhandfonds noch die in der UN-Erklärung erwähnten 100 Millionen US-Dollar werden ausreichen, um das Ziel zu erreichen.“ Es müssten weitere Schritte unternommen werden.

aks

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