EU sichert sich hunderte Millionen Dosen möglicher Impfstoffkandidaten

Brüssel – Die Europäische Union hat sich Hunderte Millionen Dosen eines möglichen Impfstoffs gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 gesichert. Die EU-Kommission schloss nach eigenen Angaben einen ersten entsprechenden Rahmenvertrag mit dem Pharmaunternehmen AstraZeneca, wie die Behörde heute in Brüssel mitteilte.
Dabei geht es um den Kauf von 300 Millionen Dosen mit der Option auf weitere 100 Millionen. Die WHO hat derweil zu mehr globaler Zusammenarbeit aufgerufen. Zahlreiche Länder gaben heute bekannt, sich Millionen Impfstoffdosen verschiedener Hersteller für den eigenen Bedarf gesichert zu haben.
Der Impfstoffkauf der EU könne sowohl den Mitgliedsstaaten als auch anderen europäischen Ländern sowie weniger wohlhabenden Ländern anderswo in der Welt zur Verfügung stehen, hieß es.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach vom „ersten Grundpfeiler“ einer europäischen Impfstoffstrategie. „Diese Strategie wird es uns ermöglichen, Europäer sowie unsere Partner anderswo in der Welt mit künftigen Vakzinen zu versorgen.“
Wichtigster Punkt sind Vorverträge und Abnahmegarantien, um sich Zugriff auf ausreichende Mengen der Mittel zu sichern, die noch in der Entwicklung sind. So sollen Herstellungskapazitäten aufgebaut werden - obwohl die Hersteller noch nicht sicher sind, dass ihre Mittel wirklich funktionieren werden.
Bereits im Juni hatte eine sogenannte Impfstoffallianz aus Deutschland, Frankreich, Italien und den Niederlanden mit AstraZeneca einen Vertrag über mindestens 300 Millionen Impfdosen geschlossen.
Eine Sprecherin der EU-Kommission betonte, das aktuelle Abkommen decke alle 27 EU-Staaten ab. Ob die EU-Abmachung den Vertrag der Impfstoffallianz ersetzt, blieb zunächst unklar.
Die EU-Kommission betonte außerdem, dass ähnliche Verträge mit weiteren Unternehmen verhandelt würden. Am Vortag hatte sie bereits mitgeteilt, dass Vorgespräche für einen Rahmenvertrag mit Janssen Pharmaceutica NV für den Kauf von 200 Millionen Dosen sowie einem Vorkaufsrecht für weitere 200 Millionen abgeschlossen worden seien.
Mit einem Joint Venture von Sanofi und GSK waren bereits ähnliche Vorgespräche abgeschlossen worden. Dabei ging es um den Kauf von 300 Millionen Dosen. Finanziert werden sollen die Geschäfte über ein im Kampf gegen die Coronakrise geschaffenes Soforthilfeinstrument. Es ist mit insgesamt 2,7 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt ausgestattet.
WHO bittet um Geld für gemeinsamen Fond
Die WHO appellierte indes, dass noch immer Geld für den Fond „ACT Accelerator“ fehle. ACT steht für Access to Covid-Tools, also Zugang zu COVID-19-Werkzeugen. Neun der weltweit aktuell klinisch getesteten Impfstoffe stünden Staaten im Rahmen eines des unter dem Dach der WHO geschaffenen Fonds zur Verfügung. Laut WHO werden 31,3 Milliarden Dollar benötigt.
Schon im Juni hatte der Fonds von Regierungen, Stiftungen und Privatwirtschaft gewarnt, dass die Staatengemeinschaft erst einen Bruchteil des nötigen Geldes zugesagt habe. Neben Impfstoffen soll der Fonds auch bei der Erforschung und Herstellung von Tests und Medikamenten gegen COVID-19 helfen.
Die WHO drängt auf mehr globale Zusammenarbeit. Das sei auch im Eigeninteresse der Länder, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus. Die Weltwirtschaft könne sich erst nachhaltig erholen, wenn das Virus überall besiegt sei. Dazu müsse an möglichst vielen Impfstoffen geforscht werden, statt auf einzelne Kandidaten zu setzen.
„Übermäßige Nachfrage und Wettbewerb um das Angebot schafft bereits jetzt Impfstoff-Nationalismus und das Risiko von Wucher“, sagte Tedros. „Das ist die Art von Marktversagen, die nur globale Solidarität, öffentliche Investitionen und Engagement lösen können.“
Britische Regierung schließt Verträge über 90 Millionen Impfdosen ab
Heute teilte unter anderem die britische Regierung mit, sich 90 Millionen Dosen verschiedener potenzieller Impfstoffe gesichert zu haben. Es seien Verträge über 60 Millionen Dosen mit dem US-Impfstoffhersteller Novavax und über weitere 30 Millionen Dosen mit dem belgischen Pharmaunternehmen Janssen, das zum US-Konzern Johnson and Johnson gehört, geschlossen worden.
Im Gegenzug vereinbarte London, Infrastruktur und finanzielle Mittel für Studien mit den Impfstoffen bereitzustellen. Zusammen mit früheren Verträgen hat sich das Land mit seinen etwa 66,6 Millionen Einwohnern nun etwa 340 Millionen Dosen von sechs verschiedenen Impfstoffkandidaten gesichert.
„Die Strategie der Regierung, ein Portfolio vielversprechender Impfstoffkandidaten aufzubauen, wird sicherstellen, dass wir die besten Chancen darauf haben, einen zu finden, der funktioniert“, sagte Wirtschaftsminister Alok Sharma einer Mitteilung zufolge.
Vietnam setzt derweil auf den russischen Corona-Impfstoff „Sputnik V“. Das südostasiatische Land wolle für eine großangelegte Kampagne 50 bis 150 Millionen Impfdosen ankaufen, berichtete die staatliche Zeitung „Tu?i Tr?“ heute. In der Zwischenzeit werde man aber weiter an der Entwicklung eines eigenen Impfstoffs arbeiten, berichtete das nationale Fernsehen unter Berufung auf das Gesundheitsministerium in Hanoi.
Der russische Präsident Wladimir Putin hatte am vergangenen Dienstag die Zulassung des Impfstoffs „Sputnik V“ zur breiten Verwendung in der Bevölkerung bekanntgegeben. Sie erfolgte vor dem Vorliegen der Ergebnisse sogenannter Phase-III-Studien – ein Vorgehen, das international viel Kritik ausgelöst hat.
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