Ausland

Europaparlament will Aufklärung der Versäumnisse bei EU-Impfstrategie

  • Mittwoch, 10. Februar 2021
/picture alliance, European Commission, Etienne Ansotte
/picture alliance, European Commission, Etienne Ansotte

Brüssel – Wegen des Mangels an Coronaimpfstoff hat die EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen heute im Europaparlament erneut Versäumnisse eingeräumt und Korrekturen angekündigt. So will sie die Zulassung von Impfstoffen beschleunigen und die Produktion in Europa ausbauen.

Mehrere Abgeordnete der rechtsnationalen Parteien forderten den Rücktritt der CDU-Politikerin. Die Linke will einen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Fehler. Alle großen Fraktionen stellten sich aber grundsätzlich hinter die EU-Strategie zur Impfstoffbeschaffung.

Von der Leyen wird vor allem in Deutschland heftig kritisiert, weil die EU-Kommission für die Bestellung des Coronaimpfstoffs zuständig ist und vorerst nur wenig davon zur Verfügung steht. Bisher wird in der Union langsamer geimpft als in Israel, Großbritannien oder den USA.

Von der Leyen gab zu: „Wir waren spät dran bei der Zulassung. Wir waren zu optimistisch bei der Massen­produktion. Und vielleicht waren wir uns zu sicher, dass das Bestellte auch tatsächlich pünktlich gelie­fert wird.“

Nun zielt sie zum einen auf Beschleunigung der Zulassung. Dafür sollen die Europäische Arzneimittel­agen­tur (EMA) schneller die Daten klinischer Impfstofftests bekommen und der Rechtsrahmen so geän­dert werden, dass die Impfstoffe schnellstmöglich geprüft werden können.

Taskforce für den Ausbau der Impfstoffproduktion

Eine Taskforce kümmere sich zudem um den gezielten Ausbau der Impfstoffproduktion, sagte von der Leyen. Dafür soll auch der Nachschub an Rohstoffen besser koordiniert werden. So fehlten zuletzt wich­tige Ingredienzien aus den USA, deren Ausfuhr durch den damaligen Präsidenten Donald Trump blo­ckiert worden war. Sie sollten nur noch national eingesetzt werden.

Unter der neuen Präsidentschaft von Joe Biden erwartet sich die Kommission wieder eine bessere Zu­sammenarbeit. Angesichts der Gefahr durch mutierte Coronaviren soll die Produktionskapazität der eu­ropäischen Werke zudem dauerhaft aufgestockt werden.

Auch auf zwei weitere Forderungen des Parlaments ging die Kommissionspräsidentin ein: Sie wolle alles tun, damit die Abgeordneten die Lieferverträge prüfen könnten, die bislang auf Druck der Hersteller voll­ständig oder in Bezug auf wichtige Details unter Verschluss gehalten werden. Zudem will von der Leyen eine Kontaktgruppe einrichten, die zwischen der Kommission und dem Parlament vermittelt und wich­tige Informationen zur Impfstoffbeschaffung direkt weiter geben kann.

Bis Ende des Sommers 70 Prozent der Erwachsenen impfen

Ihren Kritikern hielt sie aber entgegen: „Wir alle geben unser Bestes im Kampf gegen das Virus. In den Familien, in den Städten und Gemeinden, in den Mitgliedstaaten und auf der europäischen Ebene. Das sollten wir uns gegenseitig nicht absprechen.“ Die Impfkampagne nimmt aus ihrer Sicht inzwischen Fahrt auf. 26 Millionen Impfdosen seien in der EU ausgeliefert, 17 Millionen Menschen geimpft.

Sie halte weiterhin an dem Ziel fest, bis Ende des Sommers 70 Prozent der erwachsenen Bevölkerung in Europa zu impfen. Zugleich warnte sie vor der Gefahr durch die Mutation des Virus. Hier sei unklar, wie wirksam die Impfstoffe seien. Nötig sei hier deshalb eine schnelle Sequenzierung veränderter Corona­vi­ren und „ein systematischer Proben- und Datenaustausch“.

Linke und Rechte im Europaparlament sprachen von einem Debakel und von Versagen der Kommission. „Die letzten Wochen haben gezeigt, dass die Europäische Kommission mit der Pandemiebekämpfung überfordert ist und ihrer Verantwortung nicht nachkommt“, erklärte der Linken-Fraktionschef Martin Schirdewan.

Seine Co-Vorsitzende Manon Aubry forderte die sofortige Einrichtung eines Untersuchungsausschusses. Der AfD-Abgeordnete Jörg Meuthen und weitere rechtsnationale Politiker warfen von der Leyen Unver­mögen vor und verlangten ihren Rücktritt.

Christdemokraten, Sozialdemokraten, Grüne und Liberale gaben ihr mehr Rückendeckung, verlangten aber ebenfalls Aufklärung von Versäumnissen. Die Christdemokraten wollen in einem Bericht Lehren aus dem Prozess ziehen.

Die Sozialdemokraten plädierten für ein parlamentarisches Kontrollgremium, das Kooperation, Transpa­renz und Rechenschaft sicherstellen soll. Lieferverzögerungen hätten in der Bevölkerung für Misstrauen gesorgt, hieß es im Parlament.

Doch betonte nicht nur der Liberale Pascal Canfin, 27 einzelne Verhandlungen hätten eine weitaus cha­otischere Lage gebracht als jetzt. Manfred Weber, Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, unter­stützte die wichtigen bisher getroffenen Entscheidungen.

Er sprach zudem einen von seiner EVP-Fraktion erstellten Zehn-Punkte-Plan an, in dem die Abgeordne­ten unter anderem die Bereitstellung weiterer zehn Milliarden Euro durch die EU für die Impfstoffbe­schaf­f­ung fordern.

Die Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten, Iratxe García Pérez, forderte zudem, über die europäi­schen Grenzen hinweg zu blicken. Auch Grünen-Fraktionschefin Ska Keller mahnte, einige Regionen der Welt drohten, zurückgelassen zu werden. Eine globale Verteilung von Impfstoff müsse sichergestellt werden.

dpa/alir

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