Flüchtlingstragödien im Mittelmeer

Rom – Bei zwei Bootsunglücken im Mittelmeer könnten rund 200 Menschen ertrunken sein. 113 Migranten werden laut Aussage eines Überlebenden nach einem Schiffbruch vor der libyschen Küste vermisst, wie der Sprecher der Internationalen Organisation für Migration (IOM), Flavio Di Giacomo, heute sagte. Sieben Menschen hätten das Unglück überlebt. Die Nachrichtenagentur Ansa berichtete von einem weiteren Schiffbruch, bei dem nach Aussagen von Geretteten 80 Menschen ums Leben gekommen sein könnten. Die Straße von Sizilien zwischen Libyen und Italien gilt als die meist frequentierte und gefährlichste Migrationsroute über das Meer.
Zwischen Freitag und Sonntag wurden laut IOM mehr als 6.600 Menschen in verschiedenen Einsätzen unter anderem von der italienischen Küstenwache, der EU-Grenzschutzbehörde Frontex und Nichtregierungsorganisationen gerettet. Zeitweise waren mehrere Boote gleichzeitig in Seenot. Am Samstag wurden in mehr als 20 Einsätzen rund 3.000 Menschen in Sicherheit gebracht, nachdem bereits am Freitag 3.000 Menschen gerettet worden waren, wie die italienische Küstenwache mitteilte. Damit stieg die Zahl der Menschen, die in diesem Jahr die italienischen Küsten erreicht haben, laut dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) auf mehr als 43.000 an.
Die hohe Zahl der Ankünfte und die Tatsache, dass seit Anfang des Jahres mehr als 1.150 Menschen auf ihrem Weg nach Europa verschwunden oder ums Leben gekommen seien, mache die Notwendigkeit der Seenotrettung deutlicher denn je, sagte der Flüchtlingshochkommissar der Vereinten Nationen, Filippo Grandi, am Sonntag. „Menschenleben zu retten muss die absolute Priorität aller sein.“ Es sei notwendig, einzuschreiten, bevor sich die Menschen in die Hände von Schleppern in Libyen und anderen Transitländern begeben und in die Boote setzen, um das Mittelmeer zu überqueren.
Die privaten Hilfsorganisationen schlugen angesichts der hohen Zahl an Migranten erneut Alarm. Die zivilen Seenotretter seien an ihrer Kapazitätsgrenze, teilte die europäische NGO SOS Méditerrannée mit. Allein am Freitag hatte die Crew des Schiffes Aquarius in einem mehr als 13-stündigen Einsatz 731 Flüchtlinge von vier Schlauch- und zwei Holzbooten gerettet.
Die zentrale Seenotrettungsleitstelle in Rom hatte die Retter verständigt und gemeldet, dass zeitweise mehr als 20 Boote gleichzeitig in akuter Seenot waren. „Die Boote waren teilweise beschädigt und sanken, einige Flüchtende befanden sich bereits im Wasser“, hieß es in der Mitteilung. Mehr als 30 Menschen hätten Verletzungen erlitten, nachdem sie mit Benzin und Meerwasser in Kontakt gekommen waren.
Auch die spanische Nichtregierungsorganisation Proactiva Open Arms war an Einsätzen beteiligt. Am Sonntag hätten sich die Wetterbedingungen auf See verschlechtert, schrieb der Gründer Oscar Camps auf Twitter. Noch immer warteten Hunderte Menschen auf Rettung.
Die Hilfsorganisation MOAS hatte am Samstag die Leiche eines jungen Mannes nach Sizilien gebracht, der womöglich von Schleppern erschossen worden war. Ärzte ohne Grenzen barg am Freitag sechs Leichen, die vermutlich mehrere Tage vor der libyschen Küste im Wasser getrieben seien, teilte die Organisation mit.
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