Ausland

Gericht in Brasilien prüft Klage zur Entkriminalisierung von Abbrüchen

  • Montag, 25. September 2023
/picture alliance, EPA, ANDRE BORGES
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Brasília – Das Oberste Gericht in Brasilien hat mit der Prüfung einer Klage zur Entkriminalisierung des äu­ßerst restriktiven Abtreibungsgesetzes begonnen. Das Verfahren wurde am vergangenen Freitag in virtueller Form eröffnet, wobei jeder der elf Richter die Argumentation für sein Votum schriftlich online einsenden musste.

Konkret muss das Gericht darüber entscheiden, ob Frauen weiterhin strafrechtlich verfolgt werden sollen, die sich in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft für einen Abbruch entscheiden. Nach bisher geltendem Recht sind freiwillige Schwangerschaftsabbrüche in Brasilien eine Straftat.

Schwangerschaftsabbrüche sind im größten Land Lateinamerikas nur nach einer Vergewaltigung erlaubt, wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist oder der Fötus eine schwere Fehlbildung hat. Das entsprechende Gesetz dazu stammt aus dem Jahr 1940.

Geklagt hatte die Linkspartei PSOL. Sie fordert seit 2017 die Anerkennung des verfassungsmäßigen Rechts auf freiwilligen Schwangerschaftsabbruch durch den Obersten Gerichtshof.

Die Sitzung des Gerichts wurde am Freitag zunächst auf Antrag eines der Richter auf einen späteren Zeit­punkt vertagt. Als Einzige hatte zuvor die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, Rosa Weber, ihre Stimme abgegeben – und sich nachdrücklich für die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs ausgespro­chen.

In ihrem 103 Seiten umfassenden Votum argumentierte Weber, dass die Kriminalisierung des freiwilligen Schwangerschaftsabbruchs „die Freiheit und die Würde der Frauen“ verletze. „Wir wurden zum Schweigen gebracht“, erklärte die Richterin. „Wir konnten uns nicht aktiv an den Beratungen zu einem Thema beteiligen, das uns besonders betrifft.“

Sollte das Gericht Schwangerschaftsabbrüche vor der zwölften Schwangerschaftswoche künftig legalisieren, könnten betroffene Frauen und Mediziner zwar nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden. Ob Abbrüche je­doch auch innerhalb des staatlichen Gesundheitssystems ermöglicht würden, bleibt fraglich.

Das Thema gilt in dem religiösen Land, in dem vor allem die mächtigen evangelikalen Kirchen einen Auf­schwung erleben, als besonders heikel. Laut einer aktuellen Umfrage des Instituts Datafolha lehnen 52 Prozent der Brasilianer einen Schwangerschaftsabbruch ab, 45 Prozent befürworten ihn.

afp

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