Ausland

Psychische Probleme bei Migranten auf Inseln nehmen stark zu

  • Freitag, 18. Dezember 2020
/picture alliance, ASSOCIATED PRESS, Panagiotis Balaskas
/picture alliance, ASSOCIATED PRESS, Panagiotis Balaskas

Athen – Die Flüchtlinge und Migranten auf den griechischen Inseln leiden zunehmend unter psychi­schen Problemen. Psychotische Störungen seien massiv gestiegen, heißt es in einem Bericht, den die Hilfsorganisation IRC (International Rescue Committee) gestern in Athen veröffentlicht hat.

Das bestätigten am selben Tag auch die Mediziner von Ärzte ohne Grenzen: Sie seien alarmiert über die Verschlechterung der psychischen Gesundheit der Geflüchteten, hieß es in einer Mitteilung der Organisation.

Dem IRC zufolge hat sich die Situation vor allem wegen der Coronapandemie und des darauffolgenden Lockdown der Lager verschlimmert. Unmittelbar danach hätten die Ärzte einen 71-prozentigen Anstieg von Personen verzeichnet, die über psychotische Probleme klagten; die Zahl der Selbstverletzungen sei um 66 Prozent gestiegen.

Die Menschen seien per Lockdown gezwungen worden, in Lagern zu bleiben, in denen es schmutzig und gefährlich sei, in denen für Essen und Toiletten Schlange gestanden werden müsse und es kaum Platz für Hygiene und Abstand gibt, begründete die Organisation den Anstieg.

Sie beruft sich auf Daten, die IRC-Psychologen zwischen März 2018 und Oktober 2020 erhoben haben. Die Organisation habe in diesem Zeitraum auf Lesbos, Samos und Chios 904 Menschen betreut, von denen 41 posttraumatische Symptome zeigten und 35 Prozent von Suizidgedanken sprachen.

Auch die Teams von Ärzte ohne Grenzen verzeichnen nach eigenen Angaben eine zunehmende Verschlechterung der psychischen Gesundheit ihrer Patienten. So hätte auf Samos – wo rund 3.500 Menschen in einem Lager mit 648 Plätzen hausen – mehr als die Hälfte der neuen Patienten im November Suizidgedanken ausgesprochen. 37 Prozent wurden von den Fachleuten als suizidgefährdet eingestuft.

Beide Organisationen warnen davor, dass sich die Zustände im Winter noch verschlechtern dürften. Und beide fordern, insbesondere schutzbedürftige Flüchtlinge und Migranten umgehend in sichere Unter­künfte aufs Festland oder in andere EU-Staaten zu bringen. Auf den griechischen Inseln Lesbos, Samos, Chios, Kos und Leros leben aktuell nach Angaben des griechischen Bürgerschutzministeriums rund 17.000 Migranten.

dpa

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