Ausland

Viele Neuinfektionen: Europa wehrt sich gegen SARS-CoV-2

  • Montag, 12. Oktober 2020
/wetzkaz, stock.adobe.com
/wetzkaz, stock.adobe.com

Berlin – Die Coronakrise ist in Europa das alles beherrschende Thema. Mit dem Herbst steigt auch die Zahl der Neuinfektionen mit SARS-CoV-2 wieder deutlich. Überall wird in Krisenrunden beraten, wie eine zweite Welle verhindert werden kann. Ein Überblick über die Lage in einigen europäischen Staaten.

Frankreich meldete vorgestern annähernd 27.000 Neuinfektionen innerhalb von 24 Stun­den – so viele wie noch nie seit Beginn der Pandemie. Und auch gestern lag sie nach An­gaben der Behörden bei mehr als 16.000 binnen 24 Stunden. Die Zahl der Coronapatien­ten auf den Intensivstationen wuchs auf 1.483 und damit den höchsten Stand seit Mai.

Aufgrund der stark steigenden Zahlen soll die höchste Coronawarnstufe ab morgen auch in den Großstädten Toulouse und Montpellier gelten. Diese Warnstufe wird ausgerufen, wenn die Schwelle von 250 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen überschritten wird, ferner diese Inzidenz bei den über 65-Jährigen bei mehr als 100 liegt und wenn zudem 30 Prozent der Intensivbetten in einer Region belegt sind.

Mit der höchsten Warnstufe treten strikte Schutzmaßnahmen in Kraft: Bars und Sporthall­en müssen schließen, Restaurants dürfen nur unter Auflagen offen bleiben. Die höchste Warnstufe gilt bereits seit vorgestern in Lyon, Grenoble, Saint-Etienne und Lille. Zuvor war sie bereits für Paris und die südfranzösischen Städte Marseille und Aix-en-Provence sowie für das Überseegebiet Guadeloupe in Kraft getreten.

Eine aktuelle Untersuchung dokumentiert zudem eine zunehmende Überlastung des fran­zö­si­schen Gesundheitspersonals. Demnach stehen 57 Prozent der Krankenpflegekräf­te kurz vor einem Burnout. Vor der Coronapandemie hatte dieser Anteil noch bei 33 Pro­zent gelegen. Für die Studie hatte der Berufsverband der Krankenschwestern und -pfleger knapp 60.000 Beschäftigte befragt. Zwei Drittel sagten, ihre Arbeitsbedingungen hätten sich seit Beginn der Pandemie verschlechtert.

Masken tragen im Freien

In Italien beraten Politik und Experten fast täglich in Krisenrunden über neue Schritte, um die weitere Verbreitung des Virus zu stoppen. Das 60-Millionen-Einwohner-Land, das im März Europas Coronahotspot war, zählte gestern 5.456 neue Ansteckungen binnen 24 Stunden – etwas weniger als vorgestern.

Es kamen 26 COVID-19-Tote hinzu – nun sind es 36.166 Todesopfer. Inzwischen muss auch im Freien Maske getragen werden. Jetzt berät die Regierung in Rom darüber, private Feiern noch weiter einzuschränken.

Auch Menschentrauben, die abends vielerorts vor Bars und Restaurants zu sehen sind, könnten verboten werden. Zudem drohen nach Medienberichten Einschränkungen für den Amateursport in Gruppen.

Steigende Zahlen in Großbritannien

Angesichts der weiter steigenden Zahlen will der britische Premierminister Boris Johnson noch heute ein dreistufiges Warnsystem vorstellen. Das System sieht nach Angaben der Regierung in London eine Klassifizierung aller Gebiete in England nach den Kategorien „mittleres“, „hohes“ oder „sehr hohes“ Risiko vor. Schottland, Wales und Nordirland sind von den Maßnahmen nicht betroffen, sie haben eigenständige Gesundheitssysteme.

Nach Angaben der Regierung will der Premierminister das neue System dem dem Parla­ment vorlegen. Die Parlamentarier sollen im Laufe der Woche darüber abstimmen. „Dies ist ein kritischer Zeitpunkt und es ist absolut notwendig, dass jeder die klaren Richtlinien befolgt, die wir zur Eindämmung des Coronavirus aufgestellt haben“, sagte ein Regie­rungssprecher.

Wie der britische Rundfunksender BBC berichtete, ist Liverpool derzeit die einzige Stadt, die unter die Kategorie „sehr hohes Risiko“ fallen würde. Das bedeutet, dass dort gegen den Willen der örtlichen Behörden alle Pubs und Restaurants geschlossen werden müss­­ten.

Über mehrere Innenstädte im Norden Englands wurden bereits strikte Einschränkungen verhängt, etwa die Regelung, dass sich Personen aus verschiedenen Haushalten nicht treffen dürfen. Der Süden ist bislang von strengeren Maßnahmen verschont geblieben.

Der britische Finanzminister Rishi Sunak hatte am vergangenen Freitag zugesagt, bis zu zwei Drittel der monatlichen Löhne und Gehälter von Angestellten würden vom Staat bezahlt, wenn deren Firmen im Winter durch das neue Warnsystems schließen müssen.

Die Bürgermeister mehrerer nordenglischer Städte wie Liverpool und Manchester kriti­sier­ten, dass diese Unterstützung für Mindestlohnbezieher und Selbständige zu gering sei.

Großbritannien hat bislang mehr als 42.000 Todesfälle in Zusammenhang mit dem Coro­navirus registriert. Gestern betrug die Zahl der Neuinfektionen 12.872 innerhalb von 24 Stunden. Vorgestern waren es mehr als 15.000. Zehntausende sind gestorben. Genaue Zahlen sind schwer zu bekommen, weil Tests fehlen.

Spanien ist mit 850.000 Infektionen ebenfalls schlimm betroffen. Die Zahl der Neuinfek­tionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen lag zuletzt bei 115. Im gleichen Zeit­raum gab es 541 Tote. Der Anteil der COVID-19-Patienten in den Krankenhäusern steigt. Auch hier gilt Maskenpflicht im Freien.

Viele Gebiete und Gemeinden sind abgeriegelt. Über die Hauptstadt verhängte die Regie­rung für zwei Wochen den Notstand. Madrid und einige Vororte dürfen nur noch mit trif­tigem Grund verlassen werden – etwa für den Weg zur Arbeit oder für Arztbesuche. Be­troffen sind knapp 4,8 Millionen Menschen. Insgesamt hat Spanien etwa 47 Millionen Ein­wohner.

Polen führt Extra-Öffnungszeiten für Senioren ein

Wegen der Coronainfektionszahlen werden in Polen erneut spezielle Geschäftsöffnungs­zei­ten für Senioren eingeführt. Ab Donnerstag sind Lebensmittel­geschäfte, Apothe­ken und Drogerien zwischen 10 und 12 Uhr nur für Menschen über 60 Jahren ge­öffnet, wie Ministerpräsident Mateusz Morawiecki vorgestern ankündigte.

Diese Regelung für die gefährdete ältere Bevölkerung galt bereits während der ersten Corona­welle im Frühjahr. Morawiecki rief ältere Bürger auf, sich zu schützen und zuhause zu bleiben. „Wir bemühen uns, die Lage zu stabilisieren, wir bemühen uns, die Dynamik des Anstiegs der Totenzahlen zu verringern“, sagte der Regierungschef vor Journalisten. Bereits vorgestern trat in Polen eine Maskenpflicht im Freien in Kraft.

Das Gesundheitsministerium hatte vorgestern einen Rekordanstieg der Neuinfektionen um 5.300 vermeldet sowie 53 weitere Todesfälle. Seit Beginn der Pandemie infizierten sich in Polen mehr als 121.600 Menschen, fast 3.000 Menschen starben. Unterdessen gingen in Warschau mehrere hundert Menschen auf die Straße, um gegen die Masken­pflicht und weitere Restriktionen zu protestieren.

Steigende Zahlen in Österreich und Tschechien

In Österreich sind die täglichen Coronaneuinfektionen vorgestern auf den Rekordwert von 1.235 gestiegen. Tags darauf folgte mit 896 Neuinfektionen der höchste Wert an einem Sonntag. Vor allem in Wien stecken sich viele Menschen mit SARS-CoV-2 an, vor­gestern wurden dort 511 neue Fälle verzeichnet.

Unter Berücksichtigung der Einwohnerzahl liegen die Zahlen der Neuinfektionen und der aktiven Fälle deutlich über den aktuellen Werten in Deutschland. In der Alpenrepublik le­ben rund 8,9 Millionen Menschen.

Die Zahl der Neuinfektionen in Tschechien steigt nach Einschätzung der Regierung enorm. Ministerpräsident Andrej Babis schließt inzwischen einen zweiten Lockdown wie im Frühjahr nicht mehr aus. Am vergangenen Freitag gab es mit 8.618 Neuinfektionen den vierten Tagesrekord in Folge.

Vorgestern kamen 4.635 Fälle hinzu – dies war der höchste Wert an einem Wochenende. Tschechien hat knapp 10,7 Millionen Einwohner und verzeichnete seit Beginn der Pande­mie 948 Todesfälle. Von heute an müssen Theater, Kinos, Museen, Galerien und Sport­stätten schließen.

afp

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung