Warnung vor Pandemiefolgen für Flüchtlingskinder

Oslo – Vertriebene und geflüchtete Kinder in Nahost zeigen nach einer Untersuchung der nichtstaatlichen Hilfsorganisation Norwegian Refugee Council (NRC) seit Beginn der SARS-CoV-2-Pandemie einen deutlich höheren Stresspegel.
Die Kinder, „die bereits äußerst belastende Episoden durchgemacht haben, vor Krieg und Verfolgung geflohen sind und die Tötung von Verwandten gesehen haben, durchlaufen jetzt eine weitere traumatische Episode“, sagte NRC-Regionalberaterin für psychosoziale Unterstützung, Camilla Lodi, heute.
Dieses Trauma könne, wenn es nicht angegangen werden, zu ernsthaften langfristigen psychischen Problemen sowie zu körperlichen Erkrankungen führen. Unter anderem könne erhöhter und chronischer Stress zu einer mangelnden Entwicklung wesentlicher Organe sowie zu kognitiven Beeinträchtigungen führen.
Eine Untersuchung unter rund 1.600 vertriebenen oder geflohenen Kindern in Syrien, Jemen, Irak und Jordanien zeigte demnach bei 88 Prozent der Kinder einen Anstieg des Stresspegels um durchschnittlich 45 Prozent durch das Coronavirus.
75 Prozent von ihnen hatten demnach Angst, sich anzustecken, 48 Prozent befürchteten, eine ihnen nahestehende Person könne sich infizieren. Am stärksten betroffen sind laut NRC Kinder im Jemen, deren Stresspegel um 65 Prozent im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie angestiegen sei.
Kinder mit früheren traumatischen Erfahrungen seien empfindlicher gegenüber weiterem Stress, erklärte der norwegische Experte für kindliche Trauma-Psychologie, Jon-Hakon Schultz. Die Pandemie könne durch das Gefühl der Lebensgefahr früheren traumatischen Erfahrungen ähneln.
Entsprechend wichtig sei es, die Kinder zurück in die Schulen zu holen, andernfalls „werden sie für den Rest ihres Lebens leiden“, so Schultz. Das schulische Umfeld selbst sei voller Schutzfaktoren.
Regierungen, zwischenstaatlichen und nichtstaatlichen Akteuren riet der NRC, psychosoziale Unterstützung für Kinder aus Konfliktgebieten bereitzustellen. Ferner brauche es langfristige Mittel und Pläne, um Programme zur psychischen Gesundheit zu unterstützen.
Während Informationen zu Vorsichtsmaßnahmen gegen das Coronavirus wichtig seien und auch Kinder auf die Bedrohung aufmerksam gemacht werden sollten, gelte es, Fehlinformationen und Missverständnisse zu bekämpfen. Diese führten zu zusätzlichen Ängsten.
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