Ausland

WHO: Schifa-Krankenhaus noch in Betrieb

  • Dienstag, 14. November 2023

Gaza – Das größte Krankenhaus im Gazastreifen ist entgegen den Angaben von palästinensischen Behörden vom Wochenende offenbar nicht außer Betrieb. Das teilte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) heute mit.

Das Schifa-Krankenhaus sei „wegen des heroischen Einsatzes des verbleibenden Personals ein funktionie­ren­des Krankenhaus“, sagte WHO-Sprecherin Margaret Harris heute in Genf.

Trotz Stromausfalls und Angriffen versuche das Personal im Schifa-Krankenhaus alles in seiner Macht Stehen­de, um rund 700 verbliebene schwer kranke Patienten zu versorgen. Innerhalb der vergangenen 24 Stunden seien 20 gestorben, sagte sie unter Bezug auf lokale Gesundheitsbehörden.

Die WHO habe eigene Mitarbeiter im Norden des Gazastreifens, sagte Harris. Sie hätten wie die verbliebene Bevölkerung Probleme, sich mit den Nötigsten an Essen und Trinken zu versorgen.

Das Schifa-Krankenhaus ist nicht nur die größte Klinik im Gazastreifen. Es war vor den jüngsten israelischen Angriffen auch das am besten ausgestattete Krankenhaus mit den spezialisiertesten Ärzten. Deshalb seien dort besonders Schwerkranke behandelt worden.

Ihre Evakuierung wäre selbst unter besten Bedingungen ohne Konflikt in den Straßen schwierig gewesen, sagte Harris. Im Chaos des Konflikts sei es unmöglich. Außerdem gebe es im Süden des Gazastreifens keine Kapazitäten, diese Patienten aufzunehmen. „Wie betteln um eine Feuerpause“, sagte Harris.

Unterdessen hat US-Präsident Joe Biden Israel dazu aufgerufen, im Kampf gegen die radikalislamische Hamas Rücksicht auf die Klinik zu neh­men. „Das Krankenhaus muss geschützt werden“, sagte Biden gestern Abend im Weißen Haus vor Journalisten. Nach UN-Angaben harren in dem Gebäude bis zu 10.000 Menschen aus. Die israelische Armee berichtete indes von „Hinweisen“ auf Geiselverstecke in einem Kinderkrankenhaus.

„Es ist meine Hoffnung und Erwartung, dass es mit Blick auf das Kranken­haus weniger intrusive Handlungen gibt“, sagte Biden. Die USA stünden mit Israel deswegen in Kontakt. Angesichts der dramatischen Lage im Schifa-Krankenhaus haben die israelischen Streitkräfte eigenen Angaben zufolge die Liefe­rung von Brutkästen für Frühchen angeboten.

Augenzeugen berichteten von heftigen Gefechten rund um den riesigen Komplex des Schifa-Krankenhauses. Israelische Panzer stehen demnach nur wenige Meter von der Zufahrt entfernt. Die israelische Armee wirft der Hamas vor, ihr militärisches Hauptquartier in Tunneln unter dem größten Krankenhaus des Palästinenserge­biets errichtet zu haben.

Die israelische Armee meldete unterdessen „Hinweise“ auf Geiselverstecke der Hamas in einem Kinderkran­kenhaus in Gaza. Als Belege zeigte Armeesprecher Daniel Hagari in einem Video unter anderem eine Baby­flasche und ein an einem Stuhl befestigtes Seil.

Die Hinweise auf die Geiselverstecke in dem Krankenhauskeller im Norden des Gazastreifens würden nun un­tersucht, sagte Hagari. Der israelische Armee verfüge aber auch „über Geheimdienstinformationen, die dies bestätigen“.

Hagari sagte in dem Video zudem, die Armee habe in dem Krankenhaus­keller auch „Hamas-Infrastruktur“ und Waffen gefunden. Entdeckt wurden demnach „Sprengstoffgürtel, Granaten, AK47-Sturmgewehre, Sprengsätze, Raketenwerfer und andere Waffen“. Die Funde wurden in einem Video präsentiert.

Das israelische Militär bestätigte heute, dass ein von den Essedin-al-Kassam-Brigaden – dem bewaffneten Arm der Hamas – veröffentlichtes Video eine als Geisel genommene israelische Soldatin zeigt. In dem Video nennt die Soldatin ihren Namen und ihre Personalausweisnummer und erklärt, sie werde im Gazastreifen festgehalten.

Die Brigaden warfen Israel indes vor, eine mögliche Vereinbarung zur Freilassung von Geiseln zu verzögern. Wie ein Sprecher sagte, vermittelt Katar zwischen Israel und der Palästinenserorganisation, um die Freilass­ung von 100 israelischen Geiseln zu erreichen – im Austausch für 200 palästinensische Kinder und 75 Frauen, die in israelischen Gefängnissen sitzen. Israel zögere eine Vereinbarung aber hinaus, sagte der Sprecher Abu Obeida.

„Wir haben den Vermittlern mitgeteilt, dass wir die Geiseln freilassen könnten, wenn wir eine fünftägige Waffenruhe (...) und Hilfslieferungen für unser ganzes Volk im gesamten Gazastreifen bekommen, aber der Feind zögert“, sagte der Sprecher.

Indonesiens Präsident Joko Widodo forderte von den USA ein größeren Einsatz für ein Ende der Gewalt: „Indonesien appelliert an die USA, mehr zu tun, um die Gräueltaten im Gazastreifen zu stoppen“, sagte der Präsident des Landes mit der größten muslimischen Bevölkerung weltweit gestern bei einem Besuch im Weißen Haus. „Ein Waffenstillstand ist ein Muss“, fuhr er fort.

Hunderte Kämpfer der von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuften Hamas waren am 7. Okto­ber nach Israel eingedrungen und hatten Gräueltaten überwiegend an Zivilisten verübt, darunter zahlreiche Kinder.

Israelischen Angaben zufolge wurden etwa 1.200 Menschen in Israel getötet und rund 240 Menschen als Gei­seln in den Gazastreifen verschleppt. Seitdem greift das israelische Militär massiv Ziele im Gazastreifen an, inzwischen sind auch Bodentruppen in das Palästinenser­gebiet eingedrungen. Nach Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden bis Montagabend im Gazastreifen etwa 11.240 Menschen getötet.

afp/dpa

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