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MHH-Ambulanz will sexualisierte Gewalt unter Jugendlichen verhindern

  • Freitag, 2. September 2022
picture alliance/Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa
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Hannover – Um sexualisierte Gewalt unter Jugendlichen zu verhindern, hat die Medizinische Hochschule Han­nover (MHH) ein neues Gesprächs- und Therapieangebot gestartet. Die Ambulanz mit dem Namen „180 Grad“ richtet sich an 14- bis 18-Jährige, die befürchten, ihre sexuellen Impulse nicht mehr kontrollieren zu können. Sie erhalten anonym und kostenlos therapeutische Hilfe unter Schweigepflicht, wie die Universitäts­klinik mitteilte.

Zielgruppe seien zum einen Menschen, die im jugendlichen Alter merkten, dass sie sich zu vorpubertären Kindern hingezogen fühlen, sagte Tillmann Krüger, Leiter des Arbeitsbereichs Klinische Psychologie und Sexualmedizin. Zum anderen gehe es um Jugendliche, die unter ihren sexualisierten Gewaltfantasien leiden, schon Grenzen überschritten oder gar sexuelle Gewalt ausgeübt hätten.

Die Psychologen wollen zudem mit jungen Menschen ins Gespräch kommen, die ihren exzessiven Pornokon­sum als Problem sehen. Wenn Kinder im Internet Opfer von sexuellen Übergriffen werden, sind die Täter oft auch noch jung. Laut Bundeskriminalamt wird zunehmend gegen Minderjährige ermittelt, die Darstellungen von Kindesmissbrauch verbreitet oder erworben haben, diese besitzen oder selbst herstellen sollen.

Auch die Kinderschutzambulanz der MHH bekommt immer wieder Hinweise auf minderjährige Täter. An die Einrichtung am Institut für Rechtsmedizin können sich etwa Kinderärztinnen und -ärzte wenden, wenn sie bei kleinen Patienten den Verdacht auf Misshandlungen oder sexuellen Missbrauch haben. Die Kinderschutzam­bu­lanz begrüßt das neue Präventionsprojekt. „Jeder einzelne verhinderte Übergriff ist es wert“, sagte Mitarbei­terin Theresa Engelmann.

Das neue Angebot knüpft an zwei Ambulanzen für Erwachsene an, die sich laut MHH etabliert haben. Das Pro­gramm „Kein Täter werden“ richtet sich an Menschen, die sich sexuell zu Kindern und Jugendlichen hingezo­gen fühlen. Unter dem Namen „I can change“ werden Personen therapiert, die sexuelle Gewaltfantasien haben und teils schon übergriffig geworden sind.

Nicht teilnehmen können laut MHH Menschen, gegen die aktuell aufgrund von Sexualstraftaten ermittelt wird, die ihre Strafe nicht vollständig verbüßt haben beziehungsweise deren Urteil Auflagen beziehungsweise Bewährung beinhaltet.

„Unsere Erfahrung zeigt, dass viele Patienten bereits im Jugendalter unter der Problematik leiden“, sagte Sexu­almediziner Krüger. Daher sei ein frühzeitiges Hilfsangebot extrem wichtig. Ziel sei es, Kompetenzen zu ent­wi­ckeln, um sexuelle Wünsche und Bedürfnisse zu befriedigen, ohne dass andere zu Schaden kommen, sagte der leitende Psychologe der Klinik, Jonas Kneer.

Während bei den Projekten für Erwachsene rund 95 Prozent der Teilnehmer männlich seien, rechne man bei dem neuen Therapieangebot etwa mit drei Viertel männlichen und einem Viertel weiblichen Jugendlichen. Die Ambulanz „180 Grad“ wird als Modellprojekt vom niedersächsischen Sozialministerium mit 300.000 Euro für drei Jahre finanziert.

dpa

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