Coronastress hält auch nach dem Ende des Lockdowns an
Basel – Die COVID-19-Epidemie und die damit verbundenen Einschränkungen haben viele Menschen gestresst und bei einigen auch Depressionen ausgelöst. Nach einer Online-Umfrage unter mehr als 10.000 Menschen in der Schweiz hat die psychische Belastung der Bevölkerung seit dem Ende des Lockdowns zwar abgenommen. Laut den jetzt veröffentlichten Ergebnissen fühlen sich jedoch noch immer 40 % gestresster als vor Beginn der Pandemie.
Die „Swiss Corona Stress Study“ hatte zwischen dem 6. und 8. April, nach 3 Wochen Lockdown, mehr als 10.000 Schweizer nach ihrer Befindlichkeit gefragt. Wie das Forschungsteam um Prof. Dominique de Quervain von der Universität Basel berichtet, fühlten sich 50 % unter dem Lockdown gestresster als vor der Coronakrise.
Als Haupttreiber der Stresszunahme wurde die Belastung durch die Veränderungen bei der Arbeit oder Ausbildung sowie die Belastung durch das eingeschränkte Sozialleben genannt.
Für einige Menschen war der Lockdown mit einer mentalen Krise verbunden. Der Anteil der Befragten, die schwere oder sehr schwere depressive Symptome angaben, war von 3,4 % vor der Krise auf 9,1 % im Lockdown angestiegen. Kriterium war ein Score von 15 oder mehr Punkten im „Brief Patient Health Questionnaire“ (PHQ-9).
Es gab aber auch mit 26 % nicht gerade wenige Menschen, für die der Lockdown mit einem Rückgang des Lebensstress verbunden war. De Quervain führt dies darauf zurück, dass die Freizeit- und Erholungszeiten angestiegen sind. Viele Menschen hatten im Lockdown mehr Zeit für neue Projekte, mehr Zeit für Hobbys und sie nutzten die Zeit auch für mehr körperliche Bewegung.
Inzwischen wurde der Lockdown gelockert. Seit dem 27. April sind Friseursalons und Gartenzentren wieder geöffnet, am 11. Mai folgten Schulen und Geschäfte. Zwischen dem 11. Mai und dem 1. Juni haben die Forscher die Schweizer erneut befragt.
Die Ergebnisse zeigen, dass die mentale Anspannung trotz der Lockerungen anhält. Noch immer gaben 40 % der Befragten an, dass sie sich gestresster fühlen als vor Corona, das sind nur 10 % weniger als im Lockdown. Der Anteil der Menschen, die unter depressiven Symptomen leiden, hat sogar zugenommen. Statt 9,1 % im Lockdown erfüllten jetzt 11,7 % der Teilnehmer die Kriterien für eine klinische Depression.
Psychische Probleme in der Zeit vor der Coronakrise erhöhten das Risiko, in der Coronakrise schwere depressive Symptome zu entwickeln. Insgesamt 20 % der Menschen mit Depressionen hatten laut de Quervain jedoch vor der Krise keine wesentlichen depressiven Symptome gehabt.
Stärker nachgelassen hat die Angst. Während im Lockdown 57 % der Befragten generell mehr Angst im Vergleich zu vor der Krise verspürt hatten, waren dies in der Zeit der Lockerungen mit knapp 41 % deutlich weniger. Insbesondere die Angst vor einer ernsthaften Viruserkrankung und die Angst vor Versorgungsengpässen sind laut de Quervain zurückgegangen.
Die Forscher haben auch untersucht, welche Personen die Coronakrise am besten verarbeitet haben. Das Kriterium für eine hohe Resilienz war ein PHQ-9-Score von 4 oder weniger Punkten.
Interessanterweise waren Personen mittleren und fortgeschrittenen Alters (ab 55 Jahren) und Männer überproportional häufig in dieser Gruppe vertreten. Die Personen, die am meisten durch eine ernsthafte Viruserkrankung gefährdet wären, zeigten sich damit am wenigsten von der Krise beeindruckt.
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