COVID-19: Gynäkologische Fachgesellschaften fordern Impfung von Schwangeren und Stillenden

Berlin – Schwangere und stillende Frauen sollten auch in Deutschland gegen COVID-19 geimpft werden. Das fordert eine Gruppe von gynäkologischen und reproduktionsmedizinischen Fachverbänden. Sie begründen dies mit dem in der Schwangerschaft erhöhten Risiko auf schwere Verläufe von COVID-19 und die inzwischen vorliegenden Daten zur Sicherheit von mRNA-Impfstoffen.
Die Ständige Impfkommission (STIKO) beim Robert-Koch-Institut (RKI) hatte sich zuletzt im April gegen eine generelle Impfung von Schwangeren ausgesprochen. Begründet wurde dies mit den fehlenden Studiendaten.
Schwangere werden häufig von der Teilnahme an klinischen Studien ausgeschlossen. Dies war auch in den Zulassungsstudien zu den COVID-19-Impfstoffen so. Deshalb gibt es nach Einschätzung der STIKO keine sicheren Belege für die Wirksamkeit und die Sicherheit der Impfstoffe in der Schwangerschaft. Die gleichen Bedenken betreffen die Stillzeit, in der eine Impfung der Mutter potenziell die Gesundheit des gestillten Kindes gefährden könnte.
In anderen Ländern haben sich die Gesundheitsbehörden dagegen für eine allgemeine und sogar bevorzugte Impfung von Schwangeren ausgesprochen. Dazu gehören neben den USA auch Großbritannien, Israel und Belgien.
Die dortigen Behörden begründen dies mit den schwereren Verläufen von COVID-19 in der Schwangerschaft. Die US-Centers for Disease Control and Prevention (CDC) hatten in einer früheren Studie darauf hingewiesen, dass Schwangere im Fall einer Erkrankung 3 Mal häufiger auf Intensivstation behandelt oder beatmet werden und dass auch das Sterberisiko um 70 % erhöht ist (MMWR, 2020; 69: 1641-7).
Zu ähnlichen Ergebnissen ist das deutsche CRONOS-Register gekommen, in dem bis zum April 2021 bereits 1.905 SARS-CoV-2-positive Schwangerschaften dokumentiert wurden. Nach einer noch nicht publizierten Auswertung wurde bei einer von 25 Schwangeren eine intensivmedizinische Behandlung erforderlich.
Davon benötigte jede 5. Patientin eine Atemunterstützung und eine von 10 Erkrankten eine ECMO-Therapie. Bezogen auf das Gesamtkollektiv in CRONOS starben eine von 2.000 Frauen, was den internationalen Erfahrungen entspricht, die die World Association of Perinatal Medicine im Februar im American Journal of Obstetrics and Gynecology (2021; DOI: 10.1016/j.ajogmf.2021.100329) vorgestellt hatte.
Vor diesem Hintergrund fordert eine Gruppe von 11 gynäkologischen und reproduktionsmedizinischen Fachverbänden ein Umdenken. Aus Sicht des Teams um Janine Zöllkau von der Universität Jena gibt es zumindest für die mRNA-basierten Impfstoffe ausreichende Belege für die Sicherheit in der Schwangerschaft.
Sie verweist auf eine Analyse des „V-safe Pregnancy Registers“, das in den USA bis zum 26. April 4.711 Schwangere nach einer Impfung mit einer mRNA-Vakzine beobachtet hat. Laut Zöllkau wurden keine Hinweise für vermehrte Komplikationen (Abort, Totgeburt, Frühgeburt, fetale Wachstumseinschränkung, Fehlbildungen, neonatales Versterben) gefunden.
Auch in anderen Studien seien keine Anzeichen für ein erhöhtes Morbiditäts- oder Mortalitätsrisiko für Schwangere oder Feten gefunden worden. Nach derzeitigem Kenntnisstand gebe es auch keine Unterschiede im Nebenwirkungsprofil im Vergleich zu Nicht-Schwangeren.
Die durch Impfimmunisierung gebildeten und transplazentar übertragenen mütterlichen Antikörper könnten sogar einen potenziellen Infektionsschutz für das Neugeborene bewirken, heißt es in der gemeinsamen Empfehlung der Fachverbände.
Wie das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) betonte, versorgen die Intensivmediziner dort zunehmend an COVID-19 erkrankte Schwangere. Allein in den vergangenen 2 Wochen habe es 5 solcher Fälle gegeben, sagte der Direktor der Klinik für Intensivmedizin am UKE, Stefan Kluge, heute.
„Diese Fälle sind besonders dramatisch. Wir sollten in Deutschland unbedingt auch Schwangere impfen“, sagte auch er. Das sei auch die Einschätzung im Kollegenkreis. Schwangere hätten ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf, wenn sie sich mit SARS-CoV-2 infizieren. Bei ihnen sei das Immunsystem generell etwas herabgesetzt und die Sauerstoffaufnahme reduziert.
Die aktuelle Häufung hat nach Einschätzung Kluges auch damit zu tun, dass die Frauen wegen der UKE-Expertise aus anderen Häusern dorthin verlegt werden. Allerdings habe es am UKE im gesamten Jahr 2020 nur einen solchen Fall gegeben, in den ersten Monaten 2021 schon 7.
„Wir sehen diese Fälle nun häufiger, das ist ein neues Phänomen“, sagte Kluge. Das liege auch an der Variante B.1.1.7, die deutlich ansteckender ist und im Verdacht steht, schwerere Krankheitsverläufe zu verursachen.
„Deutschlandweit haben wir mittlerweile viel mehr Infektionen bei Jüngeren unter 50 Jahren, auch bei Kindern.“ Frauen im gebärfähigen Alter scheinen nun also eher vom Virus erreicht zu werden. Kluge sagte, ein Teil der Frauen habe sich wahrscheinlich bei den eigenen Kindern angesteckt. Meist sei die ganze Familie positiv.
Die betroffenen Patientinnen seien Frauen um die 30, die im Regelfall keinerlei Vorerkrankungen hätten. „Diese Frauen stehen mitten im Leben. Für die behandelnden Teams sind diese Fälle sehr belastend“, sagte Kluge.
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