COVID-19: IMMUNEBRIDGE-Studie deutet auf Lücken in der Immunität hin

Braunschweig – Die meisten Menschen in Deutschland hatten im November 2022 Antikörper gegen SARS-CoV-2 im Blut, weil sie geimpft und/oder an COVID-19 erkrankt waren. Der Abschlussbericht der Immunebridge-Studie in medRxiv (2023; DOI: 10.1101/2023.02.16.23285816) zeigt aber auch, dass es in bestimmten Gruppen und Regionen noch Lücken gab.
Das Immunebridge-Projekt untersuchte im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) die Immunitätslage der deutschen Bevölkerung. Ein Zwischenbericht war zuletzt im Oktober 2022 veröffentlicht worden. Er umfasste damals 25.630 Teilnehmer aus acht Studien. Inzwischen ist die Datenbasis auf 33.637 Teilnehmer aus neun epidemiologischen Studien gewachsen für den Zeitraum bis November 2022.
An den Ergebnissen hat sich wenig geändert. Die Mehrheit der Bevölkerung hatte Kontakt zu den Antigenen von SARS-CoV-2, entweder durch eine Impfung oder durch eine Infektion. Die Antikörperprävalenz gegen das S-Antigen (zeigt Impfung und/oder Infektion an) betrug 95 %. Das N-Antigen (zeigt ausschließlich eine Infektion an) war bei 52 % nachgewiesen worden.
Berit Lange vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig und Mitarbeiter vermuten, dass die meisten Altersgruppen durch die Antikörper einen „mittleren bis hohen Schutz“ vor einer schweren Erkrankung an COVID-19 hatten. Vor einer Infektion mit der damals dominierenden Variante BA.5 waren viele jedoch nicht gefeit. Dies hätten die hohen Erkrankungszahlen während der beiden BA.5-Wellen im Herbst 2022 gezeigt.
Die Studie zeigt darüber hinaus, dass es in einigen Gruppen und Regionen noch größere Lücken gab. Die Defizite betreffen zum einen Personen mit Komorbiditäten. Hier hatten 49 % bis 56 % weniger als 4 bestätigte Expositionen, die den besten Schutz bieten, und 6 bis 9 % hatten sogar weniger als 3 Expositionen. Zum zweiten hatten in einigen Regionen vor allem in den neuen Bundesländern viele Personen weniger als 3 bestätigte Expositionen. Der Anteil betrug in Dresden 28 % gegenüber 4 % in Schleswig-Holstein.
Bemerkenswerte Unterschiede gab es auch zwischen Kindern/Jugendlichen und Erwachsenen. Bei Kindern lag der Anteil mit Antikörpern gegen das S-Antigen nur bei 80,4 %. In den Altersgruppen über 60 Jahre waren es über 98 %. Lange und Mitarbeiter führen dies auf den hohen Anteil ungeimpfter Kinder (62 %) zurück. Die Ständige Impfkommission (STIKO) hatte die Empfehlung nur zögerlich auf die jüngeren Altersgruppen ausgedehnt. Diese durften lange Zeit nur geimpft werden, wenn sie Begleiterkrankungen hatten.
Im Gegensatz dazu war der Anteil der Kinder mit Antikörpern gegen das N-Antigen (also einer alleinigen Infektion) mit 68,0 % der höchste aller Altersgruppen (bei über 80-Jährigen nur 28,3 %). Gleichzeitig war der Anteil der Kinder mit selbstberichteten Infektionen (46 %) ähnlich hoch wie im Durchschnitt der erwachsenen Altersgruppen. Die Diskrepanz dürfte vor allem auf dem hohen Anteil von oligo- oder asymptomatischen Infektionsverläufen in der jüngeren Altersgruppe beruhen, schreiben die Forscher.
Möglich sei auch, dass die messbare Immunantwort nach einer Infektion bei Kindern länger anhalte oder dass die Kinder sich erst während der Omikron-Wellen das erste Mal infizierten.
Die Forscher weisen darauf hin, dass der Nachweis von Antikörpern nicht gleichbedeutend ist mit einem Schutz vor einer Infektion. Entscheidend sei die neutralisierende Wirkung der Antikörper, die in der Studie nicht untersucht wurde. Eine weitere Einschränkung ist, dass „impfaverse“ Gruppen, sprich Impfgegner, in allen Studien vermutlich unterrepräsentiert waren. Die Studie könnte, so Lange, die Antikörperprävalenz in der Bevölkerung deshalb ein wenig überschätzt haben.
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