COVID-19: Remdesivir wirkt am besten bei Patienten mit Sauerstoffbedarf

Rockville/Maryland − Das Virustatikum Remdesivir, das in Europa kurz vor der Zulassung steht, erzielt offenbar die besten Ergebnisse bei Patienten, die bereits Sauerstoff benötigen, aber noch nicht invasiv beatmet werden müssen. Dies kam in einer randomisierten Studie des US-National Institute of Allergy and Infectious Diseases (unter anderem mit deutscher Beteiligung) heraus, deren vorläufige Ergebnisse jetzt im New England Journal of Medicine (2020; 10.1056/NEJMoa2007764) veröffentlicht wurden.
Das Aenosin-Analogon Remdesivir, das von der viralen RNA-Polymerase als „falscher“ Baustein akzeptiert wird und dadurch bei der Replikation einen vorzeitigen Kettenabbruch provoziert, ist derzeit das vielversprechendste Medikament zur Behandlung einer Infektion mit dem neuen Coronavirus SARS-CoV-2.
Da Remdesivir sich bereits in einer klinischen Studie zur Behandlung des Ebola-Fiebers als sicher erwiesen hat, konnte rasch mit klinischen Studien begonnen werden. Neben einer Studie aus China beruhten die Erwartungen vor allem auf dem Ausgang der ACTT-Studie („Adaptive COVID-19 Treatment Trial“), die das US-National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) bereits am 21. Februar begonnen hatte.
An der Studie haben in den USA und 9 weiteren Ländern (einschließlich Deutschland mit den Universitäten Köln, Bonn und Frankfurt) 1.063 Patienten teilgenommen, die wegen einer mittelschweren bis schweren COVID-19-Erkrankung ins Krankenhaus aufgenommen worden waren.
Die Patienten wurden auf eine 10-tägige intravenöse Behandlung mit Remdesivir (in der gleichen Dosierung, die sich bei Ebola als sicher erwiesen hat) oder Placebo randomisiert. Der primäre Endpunkt war ursprünglich die klinische Verbesserung in 8 Punkten, der sich aber als wenig praktikabel erweisen sollte. Stattdessen wurde die Dauer bis zur Entlassung aus der Klinik als wesentliches Ziel der Behandlung definiert, die klinische Verbesserung wurde zu einem der zahlreichen sekundären Endpunkte.
Die letzten Patienten waren am 19. April in die Studie aufgenommen worden. Am 27. April wurden die ersten Ergebnisse in Pressemitteilungen des NIAID und des Herstellers vorgestellt. Remdesivir hatte die mediane Zeit bis zur Genesung auf 11 Tage gegenüber 15 Tagen in der Placebogruppe verkürzt. Nach den jetzt von John Beigel, NIAID, und Mitarbeitern publizierten Ergebnissen war der Vorteil mit einer Rate Ratio von 1,32 und einem 95-%-Konfidenzintervall von 1,12 bis 1,55 statistisch signifikant.
Die besten Ergebnisse wurden bei Patienten erzielt, die in der Klinik bereits Sauerstoff benötigten, aber noch nicht beatmet werden mussten (Kategorie 5). Die Rate Ratio betrug hier 1,47 (1,17 bis 1,84). In dieser Gruppe war auch ein deutlicher Rückgang der Todesfälle von 10,9 % auf 2,4 % (Hazard Ratio 0,22; 0,08 bis 0,58) zu beobachten. In der Gesamtgruppe wurde die Sterblichkeit von 11,9 % auf 7,1 % gesenkt. Die Hazard Ratio von 0,70 (0,47 bis 1,04) verfehlte hier das Signifikanzniveau.
Der Unterschied könnte dadurch zu erklären sein, dass die Sterberate bei weniger schwer erkrankten Patienten (ohne Sauerstoffbedarf in der Klinik, Kategorie 4) sehr niedrig war (2,5 % im Remdesivir-Arm versus 1,5 % in der Placebo-Gruppe, Hazard Ratio 0,46; 0,04-5,08). Hier wären wesentlich größere Fallzahlen notwendig gewesen, um einen eventuellen kleineren Vorteil sicher zu belegen.
Bei den schwerer erkrankten Patienten (nicht-invasiv beatmet, Kategorie 6, und mechanisch beatmet oder mit extrakorporaler Membranoxygenierung, Kategorie 7) war kein Trend zu einem Rückgang der Sterblichkeit oder einer schnelleren Erholung erkennbar.
Die Ergebnisse sind angesichts weiter 95-%-Konfidenzintervalle nicht sicher. Sie unterstreichen laut Beigel aber die Notwendigkeit, COVID-19-Fälle frühzeitig zu identifizieren und eine antivirale Behandlung zu beginnen, bevor die Lungenerkrankung fortschreitet und eine mechanische Beatmung erforderlich wird.
Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat aufgrund der Ergebnisse der Studie Remdesivir bereits am 1. Mai im Rahmen einer Notfallanordnung (“emergency-use authorization“) verfügbar gemacht. Der Hersteller Gilead hat bekanntgegeben, kurzfristig 1,5 Millionen Durchstechflaschen an Kliniken ausliefern zu können, was für die Behandlung von mindestens 140.000 Patienten ausreichen würde. Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA hat in der letzten Woche die baldie Zulassung von Remdesivir in Aussicht gestellt.
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