Morbus Alzheimer: COVID-19 könnte Erkrankungsrisiko erhöhen

Cleveland/Ohio – US-Amerikaner, die im ersten Jahr der Pandemie wegen COVID-19 in Behandlung waren, erkrankten im folgenden Jahr zu fast 70 % häufiger an einem Morbus Alzheimer. Die Gründe sind laut der Publikation im Journal of Alzheimer’s Disease (2022; DOI: 10.3233/JAD-220717) unklar.
Eine infektiöse Ursache des Morbus Alzheimer ist in den letzen Jahrzehnten immer wieder vermutet worden mit Herpes simplex, Borrelia burgdorferi, Chlamydia pneumoniae und zuletzt Porphyromonas gingivalis als mögliche Auslöser oder eher als Trigger für entzündliche Veränderungen, die am Ende die Ablagerung von Beta-Amyloiden und Tau-Fibrillen zur Folge haben könnte. Da es bei COVID-19 häufig zu neurologischen Symptomen kommt, geriet zwangsläufig auch SARS-CoV-2 in Verdacht.
Ein Team um Rong Xu von der Case Western Reserve University in Cleveland hat hierzu die Daten des TriNetX-Netzwerks ausgewertet, das Zugriff auf die elektronischen Daten von mehr als 95 Mio. US-Amerikanern hat. Darunter waren 410.748 Personen, die bis Ende Mai 2021 wegen COVID-19 in ärztlicher Behandlung waren.
Die Forscher haben den Patienten die gleiche Anzahl von Personen gegenübergestellt, die wegen anderer Erkrankungen medizinisch betreut wurden, ihnen aber in Alter, Herkunft, sozioökonomischen Umständen, Begleiterkrankungen und dem Konsum von Alkohol und Zigaretten glichen.
Dabei wurde eine Hazard Ratio von 1,69 gefunden, die mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 1,53 bis 1,72 signifikant war. Die COVID-19-Patienten waren demnach zu 69 % häufiger an einem Morbus Alzheimer erkrankt. Am deutlichsten war der Zusammenhang in der Altersgruppe ab 85 Jahren mit einer Hazard Ratio von 1,89 (1,73-2,07) und bei Frauen mit einer Hazard Ratio von 1,82 (1,69-1,97).
Da der Morbus Alzheimer eine Erkrankung ist, die sich über viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte entwickelt, kommt SARS-CoV-2 kaum als Auslöser infrage. Die Infektion könnte jedoch den Krankheitsprozess beschleunigt haben, was zu einem Anstieg der Diagnosen führen würde.
Denkbar ist allerdings auch, dass Menschen im Frühstadium einer Demenz eine erhöhte Anfälligkeit auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 hatten, ohne dass dies in den elektronischen Krankenakten erkennbar war. In diesem Fall läge eine reverse Kasaulität vor.
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