Medizin

Omikron: Entkopplung von Infektionen und Todesfällen in Südafrika

  • Donnerstag, 24. Februar 2022
/Grispb, stock.adobe.com
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Johannesburg – Die Omikron-Variante von SARS-CoV-2 hat sich in der südafrikanischen Provinz Gauteng rasch verbreitet, obwohl die Mehrheit der Bevölkerung durch frühere Infektionen und Impfungen einen Antikörperschutz aufgebaut hatte. Dass es trotzdem kaum zu Todesfällen kam, führen Infektiologen im New England Journal of Medicine (2022; DOI: 10.1056/NEJMoa2119658) auf eine anhaltende Immunität zurück, die zwar Infektionen nicht sicher verhindern könne, aber vor schweren Erkrankungen schütze.

Omikron hat sich seit seinem ersten Nachweis am 25. November 2021 in der Provinz Gauteng, wo 1/4 der Bevölkerung Südafrikas auf 1,5 % der Fläche des Landes lebt, rasant ausgebreitet. Der Anstieg der Fallzahlen war schneller als bei den drei vorangegangenen Erkrankungswellen. Der Höhepunkt wurde innerhalb eines Monats erreicht, bei der Delta-Welle hatte es noch 2 Monate gedauert. Dies bestätigt die gegenüber den früheren Varianten erhöhte Infektiosität von Omikron.

Für Epidemiologen kam der rasche Anstieg dennoch überraschend, da das Land eine hohe Seroprävalenz erreicht hatte. Die Gesundheitsbehörden hatten Anfang Dezember eine Querschnittsstudie abgeschlos­sen, die von der Gates-Stiftung finanziert worden war.

Eine Stichprobe von 7.010 Personen hatte nach einer intensiven Befragung eine Blutprobe abgegeben. Bei 5.123 Teilnehmern oder 73,1 % waren darin Antikörper gegen SARS-CoV-2 nachgewiesen worden. Die Seroprävalenz reichte von 56,2 % bei Kindern unter 12 Jahren bis zu 79,7 % bei Erwachsenen über 50 Jahren.

Dies waren deutlich mehr als in einer früheren Studie vom Januar 2021. Damals hatten – auf dem Höhe­punkt der 2. Welle durch die Beta-Variante – erst 19,1 % der Bevölkerung Antikörper gegen SARS-CoV-2 im Blut. Der zwischenzeitige Anstieg dürfte vor allem auf die Delta-Welle im Sommer 2021 zurück­zuführen sein. Hinzu kam, dass die Impfkampagne in den letzten Monaten langsam Fahrt aufgenommen hatte: 36 % der über 12-jährigen hatten Anfang Dezember mindestens 1 Dosis und 20,1 % beide Dosen der Grundimmunisierung erhalten. Bei den Geimpften betrug die Seroprävalenz 93,1 % gegenüber 68,4 % bei den Ungeimpften.

Dass Omikron sich dennoch durchsetzen konnte und dies sogar schneller als frühere Varianten, ist für Shabir Madhi von der University of the Witwatersrand in Johannesburg nur dadurch zu erklären, dass der Antikörperschutz durch Impfungen und frühere Infektionen nicht gegen Omikron gegriffen hat.

Erfreulich war dagegen, dass die Zahl der Hospitalisierungen und vor allem der Todesfälle deutlich niedriger war. Waren in der Delta-Welle noch 43,3 % aller Hospitalisierungen auf COVID-19 zurückzu­führen, waren es in der Omikron-Welle nur noch 11,2 %. Der Anteil an den Todesfällen ging von 49,3 % auf 3,9 % und die Übersterblichkeit von 52,7 % auf 3,3 % zurück.

Die Entkopplung von Infektionen und Erkrankungen kann zwei Ursachen haben. Entweder ist Omikron weniger pathogen als die früheren Varianten oder die früheren Infektionen haben eine Immunität hinterlassen, die zwar nicht vor einer Infektion, aber doch vor schweren Erkrankungen schützt. Möglich ist auch, dass eine Kombination aus beiden Erklärungen zutrifft.

Die südafrikanischen Forscher haben hierzu keine Untersuchungen durchgeführt. Madhi vermutet jedoch, dass Infektion oder Impfung zu einer robusten zellulären Immunantwort geführt haben, die trotz des fehlenden Antikörper-Schutzes schwere Verläufe verhindert habe.

rme

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