Medizin

Zelluläre Immunantwort: Was nach dem Verschwinden der SARS-CoV­-2-Antikörper übrig bleibt

  • Dienstag, 8. Februar 2022
An der adaptiven Immunität gegen SARS-CoV-2 sind Antikörper (Ab)-produzierende Zellen, Gedächt­nis-B-Zellen und verschiedene T-Zelluntergruppen beteiligt. Ihre Lebensdauer ist sehr variabel. /designua, stock.adobe.com
An der adaptiven Immunität gegen SARS-CoV-2 sind Antikörper -produzierende Zellen, Gedächt­nis-B-Zellen und verschiedene T-Zelluntergruppen beteiligt. Ihre Lebensdauer ist sehr variabel. /designua, stock.adobe.com

München/Boston – Eine adaptive Immunität mit B- und T-(Gedächtnis)zellen gegen SARS-CoV-2 bewahrt Menschen vor Reinfektionen und identifiziert Patienten, die bereits eine Infektion durchgemacht haben – auch dann, wenn keine Antiköper mehr im Blut nachweisbar sind.

Wie lange diese beiden Komponenten der zellulären Immunantwort überdauern haben Forschende des Klinikums der Universität München und vom Massachusetts General Hospital in Boston in 2 unabhängigen Studien in iScience und Cell untersucht (2021; DOI: 10.1016/j.isci.2021.1036592022; 2022; DOI: 10.1016/j.cell.2022.01.029).

Der Antikörpertiter ist nicht der alleinige Anhaltspunkt für den verbleibenden Schutz von Genesenen und Geimpften. Die Forschungsgruppe um Edgar Meinl vom Biomedizinischen Zentrum (BMC) der Universität München hat daher das Blut von 17 ungeimpften COVID-19-Patienten untersucht, bei denen zum Teil keine IgG-Antikörper mehr nachweisbar waren. Die Teilnehmenden hatten sich im Jahr 2020 wahrschein­lich mit dem Wildtyp des Virus infiziert.

Das Ergebnis: Bei allen Patienten nach COVID-19, auch bei denen, die die spezifischen Antikörper verlo­ren hatten, fanden die Forschenden Gedächtnis-B-Zellen im Blut, die Antikörper gegen SARS-CoV-2 produzieren konnten. Bei 13 Teilnehmenden war die Infektion mindestens 5 Monate her, bei 2 waren bereits 8 Monate vergangen.

Meinl geht davon aus, dass diese B-Gedächtniszellen auch einen Immunschutz bieten, wenn bereits verschwundene Antikörper eine Infektion nicht mehr verhindern können.

Dem Deutschen Ärzteblatt erklärte er auf Nachfrage: „Persistierende Gedächtnis-B-Zellen werden in we­nigen Tagen mobilisiert.“ Durch das Zusammenspiel von B- und T-Zellen bilden diese zum einen schnell Antikörper. „B-Zellen entwickeln sich in Keimzentren aber auch weiter und verbessern ihre Affinität gegen die aktu­el­le Virusvariante.“ Bei immunkompetenten Patienten könnte das Immunsystem so schwere Erkrankun­gen verhindern, Patienten mit Immunsuppression seien hingegen vulnerabler, ergänzt der Arbeitsgrup­pen­leiter am Institut für Klinische Neuroimmunologie.

T-Zell-Reaktion bei Omikron zum Teil reduziert

In einer weiteren Studie in Cell hatten Forschende aus den USA die T-Zell-Antwort von 76 Patienten mit und ohne vorherige Infektion Mitte 2020 (Wildtyp) oder im Dezember 2021 (Omikron) untersucht. Die Teilnehmenden waren entweder ungeimpft, doppelt geimpft (Ausnahme Janssen) oder 3-fach ge­impft. Die Proben wurden im Durchschnitt 220 (130 bis 286) Tage nach der 1. Impfserie oder 10 Tage (8 bis 54) nach einer Boosterimpfung gewonnen.

Das Ergebnis: Die T-Zellreaktionen auf Omikron (Spike- und Nicht-Spikeproteine) blieben bei den meis­ten infizierten und geimpften Personen erhalten. Eine Untergruppe von Personen (etwa 21 %) zeigte je­doch eine um mehr als 50 % verringerte T-Zellreaktivität auf Omikron-Spike.

Dies bestätigte sich auch bei der Auswertung funktioneller CD4+- und CD8+-Gedächtnis-T-Zellreaktio­nen. Vor allem CD8+-T-Zell konnten Omikron-Spike schlechter erkennen. Eine Boosterimpfung verstärkte die T-Zellreaktionen auf Omikron-Spike wieder.

Das Autorenteam kommt zu dem Schluss, dass im Gegensatz zur neutralisierenden Immunität mit Anti­kör­pern, T-Zellen noch länger auf die Omikron-Variante reagieren, wenn auch bei einigen Personen mit verminderter Reaktivität.

Topol Twitter T-Zellen
Screenshot vom 8.2.2022, Tweet Topol

Der US-amerikanischer Kardiologe und Autor Eric Topol vom Scripps Research Institute in La Jolla machte in einem Tweet auf die Studie aufmerksam und verwies noch mal auf die Ergebnisse zur Boosterimpfung: „Eine Auffrischungsimpfung erhöht die (T-Zell) Reaktivität schnell um das 20-fache, aber 9 % haben eine verminderte Reaktion.“ (siehe Kasten)

Im Vergleich zu B-Zellen gebe es einen entscheidenden Unter­schied, erklärte Meinl: „Eine T-zelluläre Immunantwort kann robuster gegen Virusmutanten sein als die Immunantwort von B-Zellen, die neutralisierende Antikörper produzieren. B-Zellen können sich aber nach Infektion mit einer anderen Variante schnell weiterentwickeln.“

Die Ursache: Nicht nur T-Zell und B-Zellepitope seien verschieden, erläuterte Meinl. Auch die Epitope von CD4- und CD8-T-Zellen seien unterschiedlich.

„Eine neutralisierende B-Zell/Antikörperantwort ist im Wesent­lichen gegen Strukturen des viralen Spikeproteins gerichtet, das an den zellulären Rezeptor ACE-2 bindet.“ Eine funktionell relevante T-Zellantwort könne sich hingegen auch gegen andere Teile des Spikeproteins und vor allem nach Infektion auch gegen andere virale Proteine richten. „Somit kann das Spektrum von relevanten Antigenen, die T-Zellen erkennen, größer sein als das neutralisierender Antikörper.“

Wie lange Geimpfte und Genesene vor Reinfektionen und schweren Erkrankungen geschützt sind, wird derzeit ausführlich unter Virologen, Immunologen und Politikern diskutiert. Die Einordung der Gültigkeit eines Genesennachweises, sowie die ausführlichere Erläuterung der wissenschaftlichen Begründung hat das Robert-Koch-Institut heute noch mal aktualisiert, heißt es auf der Webseite. Das hat ebenfalls darüber berichtet.

gie

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