Politik

90 Gebiete als geologisch geeignet für Atomendlager benannt

  • Montag, 28. September 2020
Behälter mit hochradioaktiven Abfällen und Transporthauben stehen im atomaren Zwischenlager Gorleben. /picture alliance, Sina Schuldt
Behälter mit hochradioaktiven Abfällen und Transporthauben stehen im atomaren Zwischenlager Gorleben. /picture alliance, Sina Schuldt

Berlin – 90 Gebiete in Deutschland haben nach Erkenntnissen der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) günstige geologische Voraussetzungen für ein Atommüllendlager. Der Salz­stock Gorleben in Niedersachsen ist nicht darunter, wie aus dem heute veröffentlich­ten Zwischenbericht Teilgebiete hervorgeht.

Berücksichtigt man die Überlagerung einiger Gebiete, ist laut Bericht in Deutschland ein Anteil von 54 Prozent der Landesfläche als Teilgebiet ausgewiesen. Teilgebiete liegen et­wa in Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen, aber auch in den ostdeutschen Ländern.

Eine Vorfestlegung auf einen Standort ist damit aber noch längst nicht verbunden. In den kommenden Monaten und Jahren werden die möglichen Standorte nach und nach weiter eingegrenzt, indem weitere Kriterien – etwa die Bevölkerungsdichte – berücksichtigt wer­den.

Dennoch dürfte die Debatte über die Endlagerung von hoch radioaktivem Atommüll da­mit in Fahrt kommen – vor allem in den Gebieten, die nun näher unter die Lupe ge­nomm­en werden sollen. Das Endlager soll unterirdisch in Salz, Ton oder Kristallin, also vor allem Granit, entstehen. 2031 soll der Standort gefunden sein, ab 2050 sollen Be­häl­ter mit strahlendem Abfall unterirdisch eingelagert werden.

Der Bericht listet erst einmal alle Regionen in Deutschland auf, „die günstige geologische Voraussetzungen für die sichere Endlagerung radioaktiver Abfälle erwarten lassen“, so schreibt es das entsprechende Gesetz vor. Deswegen sind es noch ziemlich viele und teils auch recht große Gebiete. Konkreter wird es erst in den kommenden Jahren. Aus den Teil­gebieten werden Standortregionen ausgewählt, die übertägig genauer erkundet werden. Einige davon werden dann auch untertägig erforscht.

Nach langem Ärger um den Salzstock Gorleben wurde die Endlagersuche komplett neu gestartet. Ausgehend von einer „weißen Landkarte“, auf der erst mal jeder Ort grundsätz­lich in Frage kommt, werden mögliche Standorte nun nach wissenschaftlichen Kriterien nach und nach eingegrenzt. Am Ende soll dann aber die Politik die Entscheidung über den Standort treffen – basierend auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen. Über ver­schie­dene Formate können sich Bürger, Gemeinden und Organisationen in den Prozess einbringen.

Zoff hatte es vor allem um Gorleben gegeben, das zu einem Symbol der Anti-Atomkraft-Bewegung geworden war. Manche forderten schon vor der Veröffentlichung des Berichts, den Salzstock als „politisch verbrannt“ aus der Suche auszunehmen.

Aber auch die bayerische Landesregierung hat Ärger auf sich gezogen, weil sie den Such­prozess anzweifelt und darauf pocht, dass der Untergrund in Bayern nicht geeignet sei. Beides stellte das Prinzip der „weißen Landkarte“ infrage, die erst nach und nach anhand messbarerer Kriterien eingegrenzt wird.

Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) hatte eine „Herausnahme“ des Salzstocks Gorleben auf der Suche nach einem Endlager für Atommüll scharf kritisiert – und deshalb das gesamte Verfahren in Zweifel gezogen.

„Die Herausnahme von Gorleben ist nicht nachvollziehbar. Das weitere Verfahren hat oh­ne Gorleben ein Glaubwürdigkeits­problem“, erklärte Glauber in München. Man blicke des­halb sehr kritisch auf den vorgelegten Zwischenbericht. „Wir werden in unserem Einsatz nicht nachlassen. Wir werden den weiteren Prozess mit wissenschaftlicher Expertise be­gleiten“, sagte Glauber.

„Oberste Prämisse für ein Endlager ist der Schutz der Bevölkerung. Dazu braucht es eine absolut sichere geologische Barriere, keine technischen Nachbesserungen.“ Der Minister kündigte an, der Bericht müsse jetzt erst einmal genau geprüft werden.

Das BGE wies jegliche Kritik am Verfahren aus Bayern kategorisch zurück. „Wir arbeiten rein wissenschaftlich“, sagte BGE-Geschäftsführer Stefan Studt in Berlin. Dass Bayern die Auswahl von zerklüftetem Granitgestein nun kritisiere, sei überraschend, immerhin habe auch Bayern dem bundesweiten Suchverfahren wiederholt zugestimmt.

Studt betonte, das Vertrauen in der Bevölkerung sei ein „entscheidender Punkt im neuen Suchverfahren“. Dieses dürfe nicht durch kritische Anmerkungen schon zu Beginn des Ver­fahrens wieder in Frage gestellt werden – nichts sei schädlicher.

Das erklärte auch Grü­nen­-­Chef Robert Habeck. Er appellierte an alle Bundesländer, sich zurückzunehmen und den Prozess nicht zu blockieren. Alle müssen mitmachen und bei dem Verfahren dabei bleiben, sagte auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD). Es gebe den Konsens aller Länder und das Verfahren sei gesetzlich beschlossen.

Alle Bundesländer müssten sich der gesellschaftlichen Aufgabe stellen, auch im Sinne der nachkommenden Generationen. „Wir wünschen uns, dass jeder Landespolitiker reflek­tiert, wo wir stehen und welche Verantwortung man auch im Süden dafür hat.“

Zugleich betonte BGE-Geschäftsführer Steffen Kanitz, dass Bayern bisher im Suchverfah­ren wie alle anderen Bundesländer sehr gut mitgearbeitet und die relevanten Daten zur Geologie übermittelt habe. Daher müsse man hier wohl unterscheiden zwischen dem po­litischen und dem fachlichen Verhalten der Länder.

dpa/may

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