Politik

Ampelkoalition stößt Reform des Transfusionsgesetzes an

  • Donnerstag, 26. Januar 2023
/picture alliance, Martin Schutt
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Berlin – Die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP will die Kriterien für die Blutspende diskriminierungs­frei gestalten. Die Reform des Transfusionsgesetzes soll über das Gesetz für eine Reform der Unabhängigen Patientenberatung (UPD) ins Parlament eingebracht werden und wurde heute in erster Lesung im Bun­des­tag beraten.

„Wir werden ein ganz altes, lange bestehendes Unrecht, eine Diskriminierung beseitigen, die hätte seit Jahren beseitigt werden müssen“, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Trotz des Mangels an Blutspenden gebe es diese „vollkommen unvertretbare, medizinisch unnötige Diskriminierung von Männern, die mit Männern Sex haben“.

Der Minister betonte, für die bestehenden Regelungen gebe es keine medizinische oder infektiologische Be­gründung. „Daher gelten jetzt die gleichen Blutspenderegeln auch für Männer, die mit Männern Sex haben. Diese Diskriminierung haben wir beendet. Das war überfällig.“

Lauterbach erhielt Unterstützung aus seiner Koalition. „Blut ist nicht schwul, bi, trans oder hetero. Blut ist Blut“, sagte die FDP-Gesundheitspolitikerin Kathrin Helling-Plahr. Es sei „schlicht diskriminierend, wenn Männer, die mit Männern Sex haben, entweder kein Blut spenden dürften oder monatelang enthaltsam leben müssten.

„Die gängigen pauschalen Rückstellungen sind auch wissenschaftlich nicht mehr hinterlegt. Relevant ist alleine das individuelle Risikoverhalten“, so Helling-Plahr. Wer mit vielen verschiedenen Partnern Sex habe, habe ein höheres Risiko, sich unter anderem mit dem HI-Virus anzustecken, als monogam lebende Paare.

Tessa Ganserer (Grüne) betonte, Blutkonserven seien unverzichtbar und es komme immer wieder zu Eng­päs­sen. Deswegen sei es „unverantwortlich“, dass ganze Personengruppen von der Blutspende ausgeschlossen wür­den. Sie bezeichnete die bestehenden Regelungen als „absurd“.

„Wer Blut spendet, übernimmt Verantwortung und hilft Leben zu retten“. Das müsse man ermöglichen, statt Menschen kategorisch auszuschließen. Ganserer wies auch darauf hin, dass Sicherheit oberste Priorität habe. Aber die Vorgaben müssten sich am individuellen Risikoverhalten orientieren. Es dürfe keine Rolle spielen, welche sexuelle Orientierung oder Geschlechtszugehörigkeit jemand habe.

„Mit dem Transfusionsgesetz werden wir die Diskriminierung von Männern, die Sex mit Männern haben, end­gültig beenden“, sagte Jürgen Lenders (FDP), LSBTI-Sprecher. Er verwies auf die Geschichte der Regelung. Die­se gehe zurück auf die 1980er-Jahre. Man wisse, dass damals homosexuelle Männer Blut gespendet hätten und damals Blutkonserven mit Aids-Viren verunreinigt gewesen seien. „Das ist 30 bis 40 Jahre her.“

Lenders, der selbst als junger Abgeordneter wegen seiner Homosexualität von der Blutspende zurückge­wie­sen worden war, machte zwar auch auf Nachbesserungen aufmerksam, die es zwischenzeitlich an den Rege­lungen gegeben habe.

„Aber Fakt ist, dass homosexuelle Männer, bisexuelle Männer und Transpersonen heute immer noch diskrimi­niert werden, obwohl es aus medizinischen Gründen dafür überhaupt keinen Anlass mehr gibt“, so Lenders. Dabei seien es gerade homosexuelle Männer, die zur Gesundheitsvorsorge gingen, ihren HIV-Status überprü­fen ließen und den Gesundheitsaspekt sehr ernst nähmen.

Silke Engelhardt (SPD) bezeichnete es als „peinlich“, dass man die Regelungen erst jetzt beseitige. „Wir haben 2023. Wie kann es sein, dass es tatsächlich noch Bereiche gibt, in denen Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung benachteiligt werden?“, fragte sie.

Engelhardt betonte, es gebe Menschen, die ein höheres Risiko hätten, sich mit sexuell übertragbaren Krank­heiten anzustecken. „Aber das hat nichts mit deren Geschlecht zu tun, sondern mit deren Sexualpraktiken und der gewählten Verhütung.“ Man könne in dieser Frage „keine Rücksicht nehmen auf Menschen, die mit ihrem Weltbild in den 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts hängen geblieben sind“.

Es mangele an Blutkonserven. Jeden Tag kämen Hilferufe aus den Kliniken. „Dieser homophobe Unfug kostet Menschenleben. Es ist möglich, das Verfahren der Blutspende so zu gestalten, dass einzelne Blutgruppe nicht benachteiligt werden“, sagte Engelhardt.

Der Gesetzentwurf, der das Transfusionsgesetz ändern soll, sieht vor, dass künftig alle Personen unabhängig von der sexuellen Orientierung und der Ge­schlechtsidentität Blut spenden dürfen.

„Die Bewertung des sexuellen Risikos, das zu einem Ausschluss oder einer Rückstellung von der Spende führt, hat auf Grundlage des jeweiligen individuellen Risikoverhal­tens der spendewilligen Person zu erfolgen. Die sexuelle Orientierung und die Geschlechtsidentität dürfen keine Ausschluss- oder Rückstellungskriterien sein“, heißt es in dem Gesetzentwurf.

Mit der geplanten Gesetzesänderung will der Bund die Bundesärztekammer (BÄK) verpflichten, die Richtlinie zur Bewertung der Risiken, die zu einem Ausschluss oder einer Rückstellung von der Spende führen müssen, innerhalb von vier Monaten entsprechend zu ändern. Zuletzt hatte die BÄK die zugrundeliegende Richtlinie Hämotherapie im Einvernehmen mit dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) sowie unter Beteiligung von BMG und Robert-Koch-Institut (RKI) im Jahr 2021 geändert.

Demnach dürfen Männer, die Sex mit Männern haben, nur dann Blut spen­den, wenn sie in den zurückliegen­den vier Monaten keinen Sexualverkehr mit „einem neuen oder mehr als einem Sexualpartner“ hatten. Bei allen anderen Menschen besteht die viermonatige Sperre dagegen nur bei „häufig wechselnden Partnerinnen und Partnern“. Vor der Änderung im Jahr 2021 lag die Sperrfrist bei zwölf Monaten.

„Um Diskriminierungen bei der Spenderauswahl zu vermeiden, soll nunmehr das sexuelle Risiko, das zu einem Ausschluss oder einer Rückstellung von der Spende führt, nur auf Grundlage des jeweiligen individuellen Ri­si­koverhaltens der spendewilligen Person ermittelt werden“, heißt es in der Begründung des Gesetzes­textes. Gruppenbezogene Ausschluss- oder Rückstellungstatbestände seien insoweit nicht mehr zulässig.

Sollte die BÄK die Richtlinie innerhalb der vier Monate nicht entsprechend ändern, geht die Zuständigkeit der Änderung einmalig auf das PEI über.

Die BÄK hingegen warnte zuletzt „vor Bestrebungen der Politik, die Richtlinienkompetenz von der Bundes­ärz­tekam­mer auf weisungsgebundene Bundesoberbehörden zu verlagern“. „Die Frage der Zulassung zur Blut­spen­de stellt eine Risikostratifizierung auf der Basis der jeweils aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen und epide­miologischen Daten dar“, erklärte die BÄK.

„Wenn die politischen Entscheidungsträger bei den Auswahlkriterien für die Blutspende von diesem wissen­schaftlichen Stand abweichen wollen, dann stehen sie auch in der unmittelbaren Verantwortung gegenüber den Menschen, wenn diese zu Schaden kommen.“ Aus Gründen der Sicherheit der Patienten sei evident, dass allein wissenschaftliche Erkenntnisse und Daten Grundlage von Richtlinien in der Medizin sein dürften, so die BÄK weiter.

may/cmk

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