Anhörung zur Krankenhausreform: Offenbar Änderungen bei Vorhaltebudgets und Weiterbildung geplant

Berlin – Transformationsfonds, ärztliche Weiterbildung, Vorhaltepauschalen und die Auswirkungsanalyse der geplanten Krankenhausreform: Mit diesen Schlagworten aus dem Gesetzesvorhaben zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) hat sich der Gesundheitsausschuss des Bundestages in der heutigen Anhörung auseinandergesetzt.
Damit hat das Vorhaben in der parlamentarischen Arbeit eine weitere Hürde genommen. In der Expertenanhörung wurde das komplexe Gesetz in zwei Stunden diskutiert. Die amtierende Vorsitzende des Ausschusses, Kirsten Kappert-Gonther (Grüne), nannte die Sitzung eine „große und für uns elementare Anhörung, mit vielen Sachverständigen und mit vielen Perspektiven“.
Zahlreiche Sachverständige forderten auf Fragen aus den Reihen der Abgeordneten der drei Koalitionsfraktionen Änderungen an der im KHVVG vorgesehenen Vorhaltevergütung, die die Krankenhäuser eigentlich aus dem Hamsterrad der Mengenausweitung befreien soll, die laut Gesetzentwurf aber an die erbrachten Fallzahlen gekoppelt ist.
„Wir kritisieren, dass die Vorhaltefinanzierung nicht fallzahlunabhängig ausgestaltet ist“, sagte unter anderem der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß. Konkret ist in dem Gesetzentwurf vorgesehen, dass sich die Höhe der Vorhaltepauschale an den Fallzahlen orientieren soll, die die Krankenhäuser im Jahr 2025 erbracht haben werden.
„Die Krankenhäuser haben damit wieder Anreize, ihre Fallzahlen zu erhöhen. Das halten wir für kontraproduktiv“, sagte Gaß. „Wir fordern eine Vorhaltefinanzierung, die auch wirklich von Fallzahlen unabhängig ist und die zum Beispiel analog zu den Zuschlägen ausgestaltet wird, die es ja heute schon im System gibt, wie Zentrumszuschläge oder Zuschläge für die Notfallversorgung.“
Teil des Vorhaltebudgets in einen Fonds einzahlen
Jonas Schreyögg von der Universität Hamburg schlug zudem vor, die Referenzjahre in die Vergangenheit zu verlegen. „Wenn die Referenzjahre in der Zukunft liegen, werden die Krankenhäuser versuchen, ihr Fallzahlvolumen zu erhöhen, um eine möglichst hohe Vorhaltepauschale zu bekommen“, sagte Schreyögg auf eine Frage aus der FDP-Fraktion
„Wir laufen somit Gefahr, eine erneute Mengenentwicklung stationärer Leistungen zu bekommen, die die Ambulantisierungsbemühungen der Krankenhäuser zum Erliegen bringen würde. Als Referenzjahre wären die Jahre 2023 und 2024 besser geeignet – oder ausschließlich das Jahr 2023.“ Diesem Vorschlag stimmte auch Christian Karagiannidis, Mitglied in der Expertenkommission Krankenhaus, zu, der dazu von den Grünen befragt wurde.
Darüber hinaus kritisierte Schreyögg, dass die vorgesehene Auszahlung des Vorhaltebudgets an die Krankenhäuser zu bürokratisch ausgestaltet sei. Zudem biete sie Anreize für eine „liquiditätsorientierte Mengensteigerung“.
Schreyögg schlug vor, das Budget nicht komplett an die Krankenhäuser auszuzahlen, sondern zunächst auch in einen Vorhaltefonds, der beim Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) angesiedelt sein könnte. Dies habe unter anderem den Vorteil, dass das BAS einen Überblick über die Zahlungen habe.
Besonders intensiv beschäftigten sich die Abgeordneten aus den Koalitionsfraktionen auch mit den Elementen der sektorenübergreifenden Versorgung, die mit dem KHVVG ebenfalls betont werden soll. So sei die „Grundidee der sektorübergreifenden Versorgung gut“, erklärte Ferdinand Gerlach von der Universität Frankfurt. Das Gesundheitssystem leide an den „dicken Mauern der Sektoren.“
Sein Vorschlag: Es dürften keine „Scheinlösungen“ bei der sektorübergreifenden Arbeit in den neuen geplanten Einrichtungen entstehen, die „Rosinenpickerei“ in einzelnen Fachgruppen begünstige. Auch müsse das Ordnungs- und Leistungsrecht für die Zusammenarbeit vor Ort angepasst werden.
Gerlach schlug vor, mit der Krankenhausreform eine Leistungsgruppe Hausärztliche Versorgung einzuführen, in der auch Hausbesuche, Pflege sowie die Langzeitversorgung eingegliedert werden sollten. Diese neue Versorgungsform müsste zeitlich befristet werden, die abgerechneten Leistungen müssten mit Routinedaten abgeglichen werden, sagte er.
Solch ein sektorübergreifendes Zentrum müsse nach Gerlachs Überzeugung in Kooperation mit den vor Ort bestehenden Praxen geführt werden. Zudem sollte solch ein Zentrum zunächst nur in unterversorgten Regionen aufgebaut und dann evaluiert werden.
Die Zukunft der ärztlichen Weiterbildung in der Krankenhausreform wurde von Abgeordneten der SPD wie CDU bei den Sachverständigen abgefragt: So stellte der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, klar, dass die geplanten Level-1i-Kliniken zwar „in gewissem Umfang“ Weiterbildung für Ärztinnen und Ärzte anbieten könnten. Doch dies sei deutlich eingeschränkt durch das Leistungsangebot, welches in den Häusern künftig vorgehalten werden solle.
Auch Susanne Johna, 1. Vorsitzende des Marburger Bundes und Vizepräsidentin der Bundesärztekammer, wies darauf hin, dass in dem Reformprozess „die Weiterbildung noch nicht mitgedacht“ wurde.
„Bei den geplanten 65 Leistungsgruppen müssen viele junge Ärztinnen und Ärzte öfter den Ort und den Arbeitgeber wechseln, um ihre Qualifikationen zu erhalten. Und dies in einer Phase des Lebens, in der auch die Familienplanung eine wichtige Rolle spielt", betonte Johna. Sie schlug vor, die Landesärztekammern zu befähigen, entsprechende zertifizierte Weiterbildungsverbünde zu gründen, um Rotationen zwischen verschiedenen Kliniken zu gewährleisten.
Johna warb auf die Frage aus der SPD-Fraktion hin auch für die Aufnahme eines ärztlichen Personalbemessungsinstruments in das KHVVG. „Ausreichend Personal im Krankenhaus zu haben, ist ein wichtiger Qualitätsfaktor“, betonte Johna. „Deshalb hat sich die Bundesärztekammer 2019 auf den Weg gemacht, ein ärztliches Personalbemessungsinstrument zu entwickeln, mit dem errechnet werden kann, wie viele Ärztinnen und Ärzte auf den jeweiligen Stationen arbeiten müssen.“ Es sei wichtig, ein solches Instrument nicht nur für die Pflege in die Versorgung aufzunehmen, sondern auch für den ärztlichen Dienst.
Die Opposition versuchte mit ihren Fragen auf die Schwachpunkte des Gesetzes hinzuweisen: So müsse es vor Beschluss des Gesetzes eine Bedarfs- sowie eine Auswirkungsanalyse geben. Hannes Dahnke, Einzelsachverständiger und Gründer des Datenanalysesystems Vebeto, mahnte, dass es die Simulationen über die Auswirkungen der Gesetzespläne auch schon mit öffentlichen Routinedaten gebe.
Man hätte bereits jetzt die Probleme bei den Fachkliniken, die keine der geforderten Mindestfallzahlen erreichen können, deutlich früher sehen können. „Viele weitere Probleme der Reform kann man mit öffentlichen Daten in den Simulationen sehen, dafür muss man nicht auf den Grouper warten“, so Dahnke.
Mit dem Grouper können die Leistungsgruppen in Verbindung mit dem DRG-System neu berechnet werden. Dieses Recheninstrument sollte frühzeitig im Jahr vorliegen, dann wurde die Frist auf Ende September verschoben. Nun ist das Instrument möglicherweise nicht vor Verabschiedung des Gesetzes fertig.
Ein deutlich weitergehendes Instrument der Bedarfsanalyse schlug der Katholische Krankenhausverband vor: Nach einer ausführlichen Bedarfsanalyse müsse es eine Auswirkungsanalyse geben, die zudem über mehrere Jahre eine Bedarfsorientierung biete. In diese Analyse müssten auch demografische wie geografische Aspekte der jeweiligen Region einbezogen werden, um zu guten Ergebnissen zu kommen.
Nach der Anhörung der Expertinnen und Experten werden nun die Beratungen innerhalb der Regierungsfraktionen fortgesetzt. Die Art und Weise, wie und zu welchen Themen fragen gestellt wurden, lässt bereits Rückschlüsse auf mögliche Änderungen am Reformvorhaben zu.
Das Gesetz soll Mitte Oktober im Bundestag abschließend beraten werden – anschließend wird sich der Bundesrat damit beschäftigen. Ob es hier eine Zustimmung gibt oder ein Vermittlungsausschuss angerufen wird, halten sich viele Minister aus den Bundesländern noch offen.
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