Politik

Baerbock geht von Millionen weiteren Kriegsflüchtlingen in EU aus

  • Dienstag, 22. März 2022
/picture alliance, Jan Woitas
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Brüssel/Berlin – Außenministerin Annalena Baerbock erwartet Millionen weitere Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. „Wir müssen davon ausgehen, dass es acht bis zehn Millionen Geflüchtete werden in den nächsten Wochen“, sagte die Grünen-Politikerin heute bei einem EU-Treffen in Brüssel.

Vor zwei Wochen war der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell noch von fünf Millionen ausgegangen. Das Land hatte vor dem russischen Angriff eine Gesamtbevölkerung von mehr als 44 Millionen Menschen. Seither begaben sich schon mehr als drei Millionen auf die Flucht.

Angesichts dieser Entwicklung werfen CDU und CSU der Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP erheb­liche Versäumnisse vor. Bei Bürgern und Hilfsorganisationen gebe es eine „großartige Hilfsbereitschaft“, sagte der Partei- und Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz.

„Wir sehen es gleichzeitig mit einigem Befremden, wie schlecht organisiert der Bund ist, wie wenig abge­stimmt und koordiniert der Bund mit den Ländern ist.“ Auch einen Flüchtlingsgipfel zwischen Bund, Län­dern und Gemeinden habe es noch immer nicht gege­ben.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt verlangte ein „koordiniertes Flüchtlingsmanagement“. Dies verweigere die Bundesregierung bisher. Bei den momentan noch überschaubaren Flüchtlingszahlen könne dies funktionieren. Es sei aber ab­sehbar, dass diese steigen. „Und damit droht auch der Kontroll­ver­­lust.“

Ein Sprecher des Innenministeriums wollte keine Prognose abgeben, wie viele Menschen in Deutschland ankommen könnten. Dies hänge vom Kriegsverlauf ab.

In den ersten Kriegstagen seien vor allem Menschen geflohen, die ein Auto hätten oder Verwandtschaft in anderen europäischen Ländern, so Baerbock. Mit zunehmender Brutalität des russischen Vorgehens kämen nun Menschen, „die in Europa niemanden haben, die überhaupt nichts mitnehmen konnten“.

Aus Sicht der Ministerin muss es deshalb eine gesamteuropäische Lösung geben. „Wir müssen von der Außengrenze direkt in europäische Länder verteilen. Jeder muss Geflüchtete aufnehmen. Die Zahl pro Land werde „in die Hunderttausende“ gehen müssen.

Innerhalb Deutschlands sollen die Großstädte Berlin, München, Köln und Hamburg nach Angaben eines Sprechers des Innenministeriums entlastet werden. Gestern wurden dazu ungefähr 70 Busse eingesetzt.

Nordrhein-Westfalens Vize-Ministerpräsident Joachim Stamp (FDP) forderte einen „Masterplan“ für eine Million Unterkunftsplätze sowie ein Spitzentreffen von Bund, Ländern und Gemeinden. Regierungsspre­cher Steffen Hebestreit schloss das nicht aus, erklärte aber: „Die Bundesregierung hat sich dazu noch nicht stärker besprochen.“

Die CDU pocht auf ein „Schutzregister“ mit einer zentralen Erfassung der geflohenen Frauen und Kinder sowie der sie aufnehmenden Menschen in Deutschland. In Polen funktioniere das mithilfe deutscher Technologie gut, sagte CDU-Generalsekretär Mario Czaja. „Es wird registriert, wer wo unterkommt und wo wer unterkommt.“

Grünen-Chef Omid Nouripour forderte einen Krisenstab im Kanzleramt. Das Familienministerium kün­dig­te an, eine zentrale Koordinationsstelle zur Unterbringung von geflüchteten Waisenkindern zu schaffen.

Die Bundesregierung verteidigte derweil ihr Krisenmanagement. Hebestreit sagte: „Ich finde, nach drei Wochen läuft es ganz gut und trotzdem muss uns auch klar sein: Das ist jetzt erst der Anfang.“

In Deutschland wurden bereits mehr als 225.000 Kriegsflüchtlinge erfasst. Die tatsächliche Zahl dürfte deutlich höher sein, weil es im Regelfall keine festen Grenzkontrollen an den EU-Binnengrenzen gibt und Ukrainer zudem ohne Visum einreisen dürfen.

Nach UN-Angaben sind insgesamt mehr als 3,1 Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen. Allein in Polen kamen bisher rund zwei Millionen an.

dpa

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