Politik

Barmer: Pflegeheime bleiben Coronahotspots

  • Dienstag, 29. November 2022
/Anke Thomass, stock.adobe.com
/Anke Thomass, stock.adobe.com

Berlin – Pflegekräfte waren im zurückliegenden Jahr so stark von COVID-19-Erkrankungen betroffen gewesen wie noch nie seit Beginn der Pandemie. Das geht aus dem Pflegereport der Barmer hervor, der heute in Berlin vorgestellt wurde. Barmer-Vorstandschef Christoph Straub fordert mehr Geld vom Bund für die Pflegeversi­che­rung.

Laut Barmer gab es unter Pflegekräften vor allem im März und Juli dieses Jahres besonders viele Krankschrei­bungen aufgrund einer Infektion mit SARS-CoV-2. Im März gab es demnach mit 158 AU-Bescheinigungen je 10.000 Pflegefachkräfte im Pflegeheim die bisherige Spitze an seit Beginn der Pandemie.

Im Vergleich zu März 2021 sei das eine Steigerung um das 14-Fache. Damals waren es elf Krankmeldungen je 10.000 Pflegekräfte. Im Juli dieses Jahres waren es sogar fast 40 Mal so viele wie im Vorjahreszeitraum: Die Zahl stieg von drei auf 118 je 10.000.

Auch die Pflegebedürftigen seien stark betroffen gewesen: Auf dem Höhepunkt der zweiten Welle, im Dezem­ber 2020, seien 55 Prozent der mit COVID-19-Verstorbenen stationär Pflegebedürftige gewesen. Am Ende der vierten Welle im Dezember 2021 seien es noch 30 Prozent gewesen.

Das sei laut Straub nicht überraschend: „In Pflegeheimen leben die schwächsten und besonders vulnerablen Personen.“ Momentan gehe der Trend eher zu Lockerungen und der Wahrnehmung, dass Corona so gut wie vorüber sei. „Unser aktueller Report belegt jedoch, dass Pflegeheime weiter Coronahotspots sind“, betonte er.

Es sei daher wichtig, mit Augenmaß über Coronakonzepte und Maßnahmen zu entscheiden. „Es ist rational ein Unterschied zu machen zwischen Schulen, Kitas oder anderen Einrichtungen und Pflegeheimen“, forderte Straub.

So müsse man schauen, wie Pflegeheime mit dem absehbaren Wegfallen der Isolationspflicht umgehen: Es brauche eine Lösung, die es arbeitsrechtlich ermöglicht, bei einer Infektion zuhause zu bleiben, auch wenn man sich gesund fühle.

Allerdings sehe man an den Zahlen auch die Wirkung der Impfungen. Trotz erheblich höherer Infektionszah­len habe es in der vierten Welle geringere Todeszahle gegeben als in der zweiten, erklärte Heinz Rothgang vom Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik der Universität Bremen.

Trotzdem bezogen weder Straub noch Rothgang Position für eine Impfpflicht. Es handele sich um einen Ein­griff in die Persönlichkeitsrechte, der vom Bundestag beraten und beschlossen werden müsse, sagte Straub.

„Wenn ich eine Prognose wagen darf: Ich glaube nicht, dass die einrichtungsbe­zogene Impfpflicht eine Zu­kunft hat. Ich würde dafür plädieren, dass man die freiwillige Impfbereitschaft zu erhöhen versucht“, erklärte Rothgang. „Ich würde da auf Überzeugung und nicht auf Zwang setzen.“

Die Infektionslage hatte weiterhin starke Auswirkungen auf die Finanzlage der Pflegeversicherung. Einerseits habe sie in den ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen Mehrausgaben verursacht, etwa für Perso­nal. Andererseits habe sie für Mindereinnahmen gesorgt, unter anderem durch nicht belegte Heimplätze. Auch die Ausgaben für Antigentests ab Oktober 2020 sei ein weiterer großer Kostenblock gewesen.

Insgesamt hätten sich die Kosten für Pflegerettungsschirme, Antigentests und Coronapflegeprämie für die Pfle­gekassen bis zum ersten Quartal 2022 auf mehr als neun Milliarden Euro summiert. Zwar habe es nach­trägliche Steuerzuschüsse gegeben, doch bleibe zum Ende des ersten Quartals 2022 unterm Strich ein Minus von 6,4 Milliarden Euro.

Die Pflegeversicherung sei damit bei den Milliarden schweren Coronaausgaben in Vorkasse gegangen. Das Defizit sei durch einen Kredit der Pflegeversicherung beim Bund „technisch gelöst worden“, erklärte Straub. „Es ist zu hoffen, dass dieser Kredit im kommenden Jahr rückwirkend in einen Zuschuss umgewandelt wird.“

lau

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung