Politik

Bündnis will Gipfel im Kanzleramt und mehr Mitsprache in der Gesundheitspolitik

  • Donnerstag, 19. September 2024
Vorstellung des Thesenpapiers des Bündnis Gesundheit: BÄK-Präsident Klaus Reinhardt, die Präsidentin des Verbandes der Medizinischen Fachberufe, Hannelore König, Ute Repschläger, Vorsitzende des Bundesverbandes selbstständiger Physiotherapeuten und Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerates. /Beerheide
Vorstellung des Thesenpapiers des Bündnis Gesundheit: BÄK-Präsident Klaus Reinhardt, die Präsidentin des Verbandes der Medizinischen Fachberufe, Hannelore König, Ute Repschläger, Vorsitzende des Bundesverbandes selbstständiger Physiotherapeuten und Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerates. /Beerheide

Berlin – Mit einem gemeinsamen Appell wollen alle Berufsgruppen im Gesundheitswesen auf die Probleme in der derzeitigen und künftigen Gesundheitsversorgung aufmerksam machen. Die 40 Verbände des Bündnisses Gesundheit riefen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) heute zu einem Gesundheitsgipfel im Kanzleramt auf. Das Forde­rungspapier, das heute in Berlin vorgestellt wurde, soll nun ins Kanzleramt geschickt werden.

Die Verbände, dazu gehören unter anderem die Bundesärztekammer, die Kassenärztliche Bundesvereinigung, der Deutsche Pflegerat sowie der Verband der Medizinischen Fachberufe, die Apotheker, die Bundespsycho­therapeutenkammer, die Bundeszahnärztekammer sowie viele der ärztlichen Berufsverbände, repräsentieren rund vier Millionen Beschäftigte.

In dem Papier wird eine grundlegende Neuausrichtung des Gesundheitswesens und der Steuerung durch die Politik gefordert. Zentral seien die Bekämpfung des Fachkräftemangels, die nachhaltige Finanzierung des Ge­sundheitswesens sowie eine Reform der Versorgungsstrukturen. Um den grundsätzlichen Politikwechsel einzu­läuten, müssten allerdings die einzelnen Berufsgruppen viel früher in die politischen Beratungen über Gesetz­gebung einbezogen werden.

„Die Gesetze und die gewünschten Veränderungen kommen bei uns Gesundheitsberufen nicht an“, sagte Ute Repschläger, Vorsitzende des Bundesverbands selbstständiger Physiotherapeuten. Daher müsse die Selbstver­wal­tung der Berufe gestärkt werden, heißt es in dem Thesenpapier des Bündnisses Gesundheit.

Insgesamt gehe es bei einem Politikwechsel aber über die Zuständigkeitsbereiche des Bundesgesundheits­ministerium hinaus: „Auch in der Bildungspolitik, in der Verkehrspolitik oder in der Umweltpolitik haben viele Aspekte Einfluss auf die Gesundheit in der Gesellschaft. Auch der Arbeitsschutz ist in der Wirtschaftspolitik ist ein wichtiger Faktor", betonte der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt. Daher fordere das Bündnis nun einen Gipfel im Kanzleramt, „da für die Gesundheit alles miteinander zu tun hat.“

Dies sei nicht als Kritik an der Zusammenarbeit mit dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) zu verstehen, betonte Reinhardt. „Es geht hier darum, dass der Horizont, der durch das BMG abgebildet wird, ein größerer ist. Und das macht diesen Gipfel zu einer anderen Qualität als Gipfel für andere Branchen.“

Reinhardt betonte, man fordere den Beginn einer gesellschaftlichen Diskussion über die Perspektiven einer Gesellschaft des langen Lebens. Denn in wenigen Jahren werde man in der Situation sein, dass 100 Beschäftigte 50 Rentnerinnen und Rentnern gegenüberstünden.

Allerdings sind aus Sicht des Bündnisses schon heute die Veränderungen deutlich sichtbar: „Wir spüren die Veränderungen in der Gesellschaft, aber auch im Versorgungsalltag schon jetzt, vielleicht schneller als andere Berufsgruppen", betonten Reinhardt und die Präsidentin des Deutschen Pflegerates, Christine Vogler.

„Schon im Routinebetrieb geht die Schere zwischen Anspruch und Realität der Gesundheitsversorgung immer weiter auseinander“, warnte Vogler. Eine nächste gesundheitliche Krise, ähnlich einer Pandemie, könne das System aus ihrer Sicht nicht bewältigen. BÄK-Präsident Reinhardt betonte, „dass das Vertrauen der Menschen in unsere demokratische Grundordnung auch durch das Vertrauen in ein verlässliches Gesundheitswesen wesent­lich beeinflusst wird“.

Vor allem die Beschäftigten im Gesundheitswesen müssten künftig aber auch schon in der aktuellen Situation besser vor Überlastung geschützt werden. „Arbeitsbedingungen dürfen nicht weiter dazu führen, dass Fach­kräfte sich beruflich umorientieren und das Gesundheitswesen bewusst verlassen“, erklärte Repschläger.

Sie warb auch für eine gute Integration von ausländischen Fachkräften sowie eine gezielte Nachwuchsförde­rung im Inland. Um die Gesundheitsversorgung auf dem jetzigen Niveau zu halten, müsse die Gesundheitskom­pe­tenz der Bevölkerung deutlich verbessert werden, heißt es auch im Thesenpapier.

Um die Gesundheitsversorgung zu erhalten, sei eine „auskömmliche Finanzierung des Gesundheitssystems un­ab­dingbar“, erklärte Hannelore König, Präsidentin des Verbandes medizinischer Fachberufe. „Gesundheit und Pflege sind keine Kostenfaktoren, sie bilden vielmehr die Grundlage für eine lebenswerte, sozial und politisch stabile Gesellschaft.“

Da müssten auch die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung durch ausreichende Bundesmittel abgesi­chert werden, forderte König. Besonders die vielen versicherungsfremden Leistungen in der gesetzlichen Kran­kenversicherung müssten durch eine Finanzierung aus Steuern besser abgesichert werden. Dazu zählen etwa die beitragsfreie Familienmitversicherung, familienbezogene Sachleistungen, Krankengeld, Zuzahlungsbefreiun­gen oder Präventionsleistungen.

Aus Sicht der Mitglieder Bündnisses ist es „angesichts der drohenden Unterversorgung nicht mehr zeitgemäß, Leistungen zu budgetieren“. Daher müsse eine Aufhebung der Budgets angestrebt werden. Ein wenig Hoffnung auf baldige Verbesserungen im System haben viele Berufsgruppen durch die Digitalisierung.

„Wenn wir künftig besser über die ePA oder die Messengerdienste miteinander kommunizieren könnten, dann ließen sich unglaublich viele Ressourcen sparen", so Vogler. Im Forderungspapier wird formuliert, dass die „Digi­talisierung prioritär, versorgungsgerecht und anwendertauglich umgesetzt“ werden müsse. Auf die digitalen An­wendungen benötigten alle Berufe einen gleichberechtigten Zugriff.

Das Bündnis habe an dem Thesenpapier nun lange gearbeitet und dazu auch intensiv diskutiert, wie BÄK-Prä­sident Reinhardt berichtete. „Wir haben in diesem ersten Prozess bewusst erst einmal nur unter uns Gesund­heitsberufen diskutiert und ohne die Krankenkassen“, erklärte König vom Verband medizinischer Fachberufe.

Das Bündnis Gesundheit hatte sich bereits 1999 aus Protest gegen die damaligen Pläne des Bundesgesund­heitsministeriums, ein Globalbudget einzuführen, gegründet. Es hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder in die Debatte eingebracht.

bee

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