Bundesrat spricht sich für Widerspruchslösung bei Organspende aus

Berlin – Der Bundesrat hat sich heute dafür ausgesprochen, eine Widerspruchslösung für die Zulässigkeit der Organentnahme einzuführen. Das Länderparlament hat einen entsprechenden Entschließungsantrag von Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Hessen beschlossen. Damit fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, entsprechende Änderungen im Transplantationsgesetz vorzunehmen.
In Deutschland gilt bei der Organspende derzeit eine erweiterte Zustimmungslösung. Das bedeutet eine Organspende ist nur möglich, wenn der mögliche Organ- oder Gewebespender zu Lebzeiten eingewilligt hat oder sein nächster Angehöriger zugestimmt hat.
Zuletzt wurde 2019 über eine entsprechende Überarbeitung des Transplantationsgesetzes diskutiert. Der ehemalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte damals versucht eine Widerspruchslösung einzuführen. Dieser Vorschlag fand allerdings keine Mehrheit im Bundestag.
Im Januar 2020 hatte der Bundestag stattdessen das „Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende“ eingeführt, das die Zustimmungslösung weiterführt, aber kleinere Änderungen vorsieht, etwa die Ausweitung von Informationsmaterial sowie entsprechende Beratungen.
Die Situation in Deutschland sei allerdings von einem „signifikanten Organmangel“ gekennzeichnet, heißt es in dem Entschließungsantrag des Bundesrats. So standen am 1. Januar 2023 8505 Patientinnen und Patienten auf der aktiven Warteliste in Deutschland (laut Eurotransplant) während 2022 nur 2662 Organe der Deutschen Stiftung Organtransplantation zufolge gespendet worden sind. Die Zahl der Organspenderinnen und -spender stagniere seit beinahe zehn Jahren auf niedrigem Niveau, heißt es im Antrag.
„Trotz intensiver und langjähriger Aufklärungs- und Informationskampagnen durch Bund und Länder, insbesondere die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), hat repräsentativen Umfragen zufolge nur rund ein Drittel der Bevölkerung eine selbstbestimmte Entscheidung über Organspende getroffen und in einem Organspendeausweis festgehalten“, schreiben die Länder weiter.
Die Berliner Gesundheitssenatorin Ina Czyborra (SPD) erklärte heute vor dem Bundesrat, die bisherigen Versuche, die Organspendesituation in Deutschland zu verbessern, seien gescheitert. Deshalb sei es höchste Zeit für einen Paradigmenwechsel. Deutschland gehöre bei Organspenden zu den Nehmerländern und leiste nicht den Beitrag, den es sollte, kritisierte Czyborra. Sie schäme sich deshalb vor den Nachbarländern.
Auch die Bundesärztekammer (BÄK) unterstützt den heute vom Bundesrat beschlossenen Antrag zur Einführung einer Widerspruchslösung bei der Organspende. „Die Widerspruchslösung kann viele Menschenleben retten. Sie kann helfen, die große Lücke zwischen der hohen grundsätzlichen Spendebereitschaft in der Bevölkerung und den tatsächlichen niedrigen Spendezahlen zu verringern“, sagte BÄK-Präsident Klaus Reinhardt.
Gleichzeitig werde mit der Widerspruchslösung die individuelle Entscheidungsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger über die Organspende respektiert. Dafür sei es unbedingt erforderlich, dass Informationen zum Thema Organspende, zur Möglichkeit und auch zum Verfahren des Widerspruchs allgemein verständlich und niedrigschwellig zur Verfügung stehen, erklärte er weiter.
Die Ärzteschaft hat sich in den vergangenen Jahren mehrfach für die Einführung einer Widerspruchslösung stark gemacht. Sie ist in vielen Ländern bereits implementiert, so etwa in Frankreich, Irland, Italien, Österreich und Spanien.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: